Anno nuovo, vita nuova! Dieser traditionelle italienische Gruß zu den Feiertagen am Jahresende bietet sich als Motto für einen ersten Spaziergang durch den Garten im neuen Jahr geradezu an, denn überall regt sich neues Leben. Geführt werde ich von Dr. Joachim Busch, einem der erfahrensten Referenten im Botanischen Garten. Der Rundgang mit ihm gestaltet sich als ein kurzweiliges botanisches Vergnügen, ein wahres Kaleidoskop von Bildern und Wissen erwartet mich.
Zum Auftakt unserer Wintertour halbiert Joachim Busch vorsichtig eine Rhododendronknospe und hält sie mir hin, ein Wunder! Umhüllt vom Grün der Knospe, die wie die Verpackung eines kostbaren Geschenks wirkt, sind im Inneren schon die zartrot gefärbten, fragilen Blütenblätter sichtbar. Alles ist längst angelegt und ruht geschützt im Verborgenen. Die Natur hat vorgesorgt und im Herbst die Voraussetzungen für das neue Wachstum geschaffen. Nun warten die Pflanzen nur noch auf die richtigen Witterungsbedingungen. Obwohl der Winter trotz des kurzzeitigen Frosteinbruchs bislang ungewöhnlich mild war, sind die bereits ausgetriebenen Pflanzen nach Einschätzung von Herrn Busch nicht vorzeitig aus der Winterruhe erwacht.
Der passende Zeitpunkt, um ihre Blüten zu öffnen, ist für etliche Winterblüher ab Dezember und Januar gekommen. Sie sorgen mit ihren Blüten nicht nur für bunte Farbtupfer, sondern sind im späten Winter und zeitigem Frühjahr die einzigen Pollen- und Nektarspender für Wildbienen. Nicht zu übersehen ist der Winter-Jasmin (Jasminum nudiflorum) mit seinen intensiv gelb leuchtenden Blüten. Ursprünglich in Ostasien beheimatet, kam er 1844 nach Europa und wird wegen seiner frühen Blüte als Ziergehölz besonders geschätzt. In milden Wintern zeigt er seine Blüten bereits im Dezember, die bei stärkeren Frösten jedoch erfrieren können. Da der Winter-Jasmin wie alle Winterblüher seine Blüten nur nach und nach öffnet, kann ein plötzlich auftretender Frost lediglich einem Teil der Blüte Schaden zufügen. So kann sich der Blütenflor über Wochen hinziehen.
Mit der gelben Farbenpracht des Winter-Jasmins, die fast schon etwas aufdringlich wirkt, können es die Zaubernüsse (Hamamelis) und die Chinesische Winterblüte (Chimonanthus praecox) nicht aufnehmen, ihre Blüten sind dennoch nicht minder eindrucksvoll. Die Zaubernuss ist eine der bei uns verbreitesten Winterblüher. Je nach Art reichen die Blütenfarben der Zaubernüsse von gelb über orangerot bis zu bronzefarben. Ihre bizarr geformten, schmalen Blütenblätter erinnern an Spinnenbeine oder Papierschlangen, die sich bei tieferen Temperaturen und Regen spiralförmig einrollen und sich erst wieder bei besseren Witterungsbedingungen öffnen. Dazu hat die Zaubernuss, abhängig von ihrer Art, einen starken Duft.
Die Chinesische Winterblüte (Chimonanthus praecox) ist eine kleine Rarität, auch wenn sie es vom Bekanntheitsgrad nicht mit der Zaubernuss aufnehmen kann. Auch sie blüht früh und verströmt einen angenehmen Duft. Ihre Blüten sind größer als die der Zaubernuss, ihre wachsgelben Blüten erreichen jedoch nicht die Farbintensität der Zaubernuss, sie wirken eher etwas wässrig, sind dafür aber größer.
Mein „Lieblings-Winterblüher“ ist jedoch die Winter-Heckenkirsche (Lonicera x purpusii), die das Titelbild ziert. Sie gehört zu der Familie der Geißblattgewächse. Sie beginnt ebenfalls bereits im Januar an zu blühen und hat einen feinen Duft. Ihre kleinen, cremeweißen Glockenblütchen hängen geradezu „unschuldig“ an den dünnen, überhängenden Trieben. Im Laufe des Jahres bilden sich rote Beeren, die an kleine Kirschen erinnern und ihr zu dem deutschen Namen Heckenkirsche verholfen haben.
Auch die Blüten von Kornelkirsche (Cornus mas), Duftschneeball (Viburnum farreri) und Schmuck-Mahonie (Mahonia media) sind nicht zu übersehen. Man sollte sich bei dem Spaziergang jedoch nicht nur von den ersten blühenden „Hinguckern“ leiten lassen. Schaut man intensiver hin, entdeckt man an vielen Stellen Pflanzen, die nur darauf warten, dass die Temperaturen den Startschuss zum Wachstum geben. Der Seidelbast blüht bereits, Wolfsmilch ( Euphorbia characias) und die verschiedenen Helleborus Arten – Christrose, Orientalischer-, Purpur- , Korsischer- und nicht zuletzt der stinkende Nieswurz – haben ihre Knospen gebildet und die Schneeglöckchen recken ihre weißen Spitzen im Apothekergarten aus der Erde. Hier zeigt auch der Rosmarin erste, zartlilafarbene Blüten. Da er im Mittelmeerraum beheimat ist, wächst und blüht er dort im Winter, eine Eigenart, die er auch hier nicht abgelegt hat. Auch die Moose und Flechten haben im Herbst/Winter ihre Hauptwachstumsphase und leuchten vor dem wintergemäß eher dunklen Hintergrund besonders schön.
Bei so viel Wachstum in der Pflanzenwelt möchten natürlich die Enten, Gänse und Vögel nicht nachstehen. Es wird heftig gebalzt im Botanischen Garten! Und die Vögel beginnen bereits zu zwitschern. Mehrfach können wir den eher schwermütigen Gesang der Misteldrossel hören. Wer seine Kenntnisse über Vogelstimmen schulen möchte, sollte sich jetzt auf den Weg machen. Im März/April wird der vielstimmige Gesang unübersichtlich!
Es war – trotz des eher unwirtlichen Wetters – ein wunderschöner Vormittag, den ich mit Dr. Busch im Botanischen Garten verbracht habe. Mein Blogbeitrag kann nicht annähernd beschreiben, wie kurzweilig der Spaziergang trotz der intensiven Wissensvermittlung – mit eingestreuten Anekdoten! – war. Sie können sich einem Rundgang von Dr. Busch, der promovierter Biologe ist, bei einer der öffentlichen sonntäglichen Führungen anschließen oder eine Privatführung buchen, bei der ihre individuellen Themenwünsche berücksichtigt werden. Anfragen (auch an andere Guides) richten Sie bitte an den Botanischen Garten per Email gruene-schule @hhu.de.
Für den Beitrag habe ich mich nicht an dem Rundweg, den ich mit Joachim Busch genommen habe, orientiert, sondern die besprochenen Pflanzen in Gruppen zusammengefasst. Machen Sie sich also auf Ihre eigene Entdeckungsreise und spüren Sie den beschriebenen Pflanzen nach.
Zum Schluß möchte ich noch einen Rat von Joachim Busch weitergeben. Das „Gute“ liegt auch in der Botanik nahe. Es müssen nicht immer nur die großen Namen sein. Wer mit wachen Augen seine Umwelt wahrnimmt, entdeckt selbst in den kleinsten Ritzen urbaner Steinwüsten noch Pflanzen, die sich behaupten. Sie haben es verdient, beachtet zu werden.