Wo Milch und Honig fließen

Ein Ausflug in die Welt der Bibelpflanzen

„Das Land, wo Milch und Honig fließen!“ Was für den heutigen Menschen bestenfalls eine Redewendung ist, gilt in der Bibel als Synonym für das Gelobte Land, das Gott den Israeliten nach ihrem Auszug aus Ägypten verspricht. „Ich will mein Volk aus diesem Land hinausführen. Ich will es in ein schönes, weites Land bringen – ein Land, wo Milch und Honig fließen.“ ((2. Mose/Exodus 3,17)

Schauplatz der biblischen Geschehnisse ist das östliche Mittelmeergebiet und der vordere Orient – vor allem das historische Palästina, die Region zwischen Mittelmeerküste, dem Jordantal und dem Toten Meer. Diese Landschaft ist Teil des „Fruchtbaren Halbmondes“, der sich bogenförmig bis nach Mesopotamien erstreckt und einer der ältesten Siedlungsbereiche der Menschheit ist. Trotz der relativ kleinen Fläche war und ist das Gebiet dank seiner sehr abwechslungsreichen Topographie und dem von Norden nach Süden immer heißer werdenden Klima mit etwa 2500 belegbaren Pflanzenarten besonders vielfältig. Neben fruchtbaren Flusstälern und Ebenen findet man so unterschiedliche Vegetationslandschaften wie Wälder, Sumpfgebiete, Strauchsavannen, Steppen, Sandwüsten und Oasen.

Etwa 110 Pflanzenarten werden in der Bibel namentlich genannt, einige über hundertmal, andere seltener oder nur einmal, wobei die Pflanzennamen nicht alle sicher heutigen Pflanzen zugeordnet werden können. Übersetzungen bergen Fehlerquellen, Begriffe haben einen Bedeutungswandel erfahren, die biblischen Erzähler waren keine Biologen im heutigen Sinn, einige Pflanzen sind in der Bibel nur als Orts- oder Personennamen enthalten und es gibt Sammelnamen für ganze Pflanzengesellschaften. Nicht alle erwähnten Pflanzen waren ursprünglich in Israel beheimatet. Einige stammten aus anderen Ländern und wurden in Israel als Kulturpflanzen angebaut. Verschiedene Gewürze, Duftstoffe und Heilpflanzen wurden über Handelswege eingeführt. Sie waren sehr wertvoll und aufgrund ihres langen Transportweges teuer. Besonders Weihrauch, der zum größten Teil aus dem Jemen importiert wurde, war für alle religiösen Zeremonien unersetzlich. Ihm verdankte die Königin von Saba ihren sagenhaften Reichtum.

Die Welt der Bibel war weitgehend bäuerlich geprägt. Pflanzen waren daher für die Menschen der damaligen Zeit von besonderer Bedeutung. Sie waren Lebensmittel, Baumaterial, Heilmittel und dienten kultischen Zwecken. Viele Vorschriften über Feste beziehen sich auf die Aussaat und das Einbringen der Ernte. Religiöse Gesetze regelten die Verteilung von Abgaben der Ernte. Fast alle Pflanzen, aber auch Begriffe wie Wurzel, Blüte, Frucht, Samen und Ernte hatten eine symbolische Bedeutung. Zahllose Anspielungen, Gleichnis- und Bildworte belegen, wie eng die Menschen mit der Natur verbunden waren. Pflanzen ziehen sich wie ein roter Faden durch die Geschichten der Bibel, beginnend mit der Schöpfung bis hin zum Leiden und Tod Jesus.

Voraussetzung für die Gewinnung von Kulturland war die Rodung von Wäldern. Daneben errichtete man in felsigen Lagen Terrassen, um Ackerflächen zu kultivieren. Ebenso ist die Existenz von Nutzgärten und Obstgärten belegt, die von besonderem Wert waren, wenn sie in der Nähe von Häusern lagen. Wo Kulturland nicht ständig bearbeitet wurde, breiteten sich die pflanzlichen Vertreter der gegenmenschlichen Welt, die Dornen, Disteln und Nesseln, wieder ungehindert aus und vernichteten die mit viel Mühe und Zeit geleistete Arbeit. Sie waren eine Plage, einzig als Brennmaterial und zur Umgrenzung von Besitz waren sie von Bedeutung. Als Jesus am Kreuz eine Dornenkrone aufgesetzt wurde, war dies ein Zeichen äußerster Verhöhnung.

Vor allem den „sieben Arten“, die die Kinder Israels nach 40 langen Jahren des Umherirrens in der Wüste, im Gelobten Land, vorfanden, kommt in der Bibel eine besondere Bedeutung zu. Sie galten als Ausdruck des Segens Gottes. Moses versprach den Israeliten: Denn der Herr, dein Gott, führt dich in ein gutes Land, ein Land, darin Bäche und Quellen sind und Wasser in der Tiefe, die aus den Bergen und in den Auen fließen, ein Land, darin Weizen, Gerste, Weinstöcke, Feigenbäume und Granatäpfel wachsen, ein Land, darin es Ölbäume und Honig gibt …(5. Mose 8, 7-8)

Die große Bedeutung von Weizen und Gerste erkennt man daran, dass sie von allen Pflanzen an erster Stelle genannt werden. Sie waren ein Hauptbestandteil der Nahrung in der damaligen Zeit. Die Aussaat, das Wachstum und die Ernte des Getreides, namentlich des Weizens, waren Symbol für die Geburt und den Tod oder auch den Tod und die Wiedergeburt. Weizen (Triticum aestivum) galt als das vornehmste Getreide, das dreimal so wertvoll wie Gerste war. Salomo bezahlte das importierte Zedernholz mit Weizen. Weizenkörner wurden durch Dreschen von der Spreu getrennt. Bis heute hat das Bildwort „Die Spreu vom Weizen trennen“ eine hohe Symbolkraft. Während nur Weizen als Tempelgabe edel genug war, war die Gerste (hordeum vulgare) das Getreide der Armen, das zu Gerstenbrot verarbeitet wurde und als Tierfutter diente.

Der Ölbaum oder Olivenbaum ist einer der bedeutungsvollsten und symbolträchtigsten Pflanzen der Bibel. Schon sehr früh ist der Ölbaumzweig Sinnbild für Frieden und bedeutet neues Leben und Hoffnung. Als das Wasser der Sintflut versickerte, schickte Noah eine Taube aus. „Und die Taube kam zur Abendzeit wieder zu ihm, und siehe, sie hatte ein frisches Ölbaumblatt in ihrem Schnabel! Da erkannte Noah, dass das Wasser sich verlaufen hatte auf der Erde“ (1. Mose, Kapitel 8, Vers 11).

Alte Olivenbäume im Garten von Gethsemae

Etwa um 4000 v. Chr. begann man im Mittelmeerraum wilde Olivenbäume (Olea europaea subsp. sylvestris) zu
kultivieren. Olivenbäume stellen keine Standortansprüche, sie gedeihen auch auf kargen Böden und Gebieten mit wenig Niederschlag. Sie wachsen sehr langsam und können mehrere hundert bis über 1000 Jahre alt werden. Von den im Garten Gethsemane stehenden acht Ölbäumen soll ein Baum vermutlich um die 2300 Jahre alt sein, das Alter von drei weiteren schätzt man auf ca. 1000 Jahre. Der Olivenbaum hat bis heute eine hohe wirtschaftliche Bedeutung als Öllieferant. Seine Frucht stand Armen wie Reichen gleichermaßen als Nahrung zur Verfügung. Weil das Olivenöl im Alltagsleben der Menschen sowohl als Nahrungs- und Heilmittel, als Salböl für rituelle Zwecke aber auch als Holzlieferant und Brennstoff eine wichtige Rolle spielte, war der Olivenbaum in biblischer Zeit hochgeschätzt.

Die Weinrebe (Vitis vinifera) ist die Pflanze, die mit dem Ölbaum am häufigsten in der Bibel erwähnt wird. In den biblischen Erzählungen werden weinbauliche Motive immer wieder verwendet, was an der Allgegenwärtigkeit des Weins in der biblischen Zeit liegt. Die Früchte des Weinstocks und die daraus erzeugbaren vielfältigen Produkte waren Bestandteil des täglichen Lebens. Wein war ein wichtiges Alltagsgetränk, einwandfreies Wasser war lange Zeit nicht verfügbar. Viel wird in der Bibel über die Weinkultur, angefangen vom Anlegen eines Weinberges bis hin zur Lese und Lagerung, erzählt. Der Besitz eines Weinberges bedeutete Reichtum und Segen. Ein gepflegter Weinberg hatte schön angelegte Terrassen und war von einer Schutzmauer umgeben. Die Menschen wußten sehr genau, wie viel Arbeit ein Weinberg bedeutete und was passierte, wenn man ihn verkümmern ließ. Sakrale und profane Feste waren in biblischer Zeit ohne Wein nicht denkbar und zahlreiche sozialrechtliche Regeln knüpften am Weinberg und seinen Früchten an. So war der Mundraub von Trauben (nicht jedoch das Wegtragen im Gefäß!) straffrei. Eindringlich warnt die Bibel aber auch vor dem übermäßigen Genuss von Wein.
Wein bedeutete Frieden, Lebensfreude und Wohlstand. Er wird als Gabe Gottes bezeichnet, der den Menschen Freude bereitet. Das Sitzen unter Weinstock und Feigenbaum war Sinnbild für ein glückliches, zufriedenes Leben. „Jeder sitzt unter seinem Weinstock und unter seinem Feigenbaum und niemand schreckt ihn auf.“ (Micha 4,4).

Die echte Feige (Ficus carica var. domestica) ist eine typische Kulturpflanze des Heiligen Landes, sie wächst aber auch wild. Bereits in der zweiten Schöpfungserzählung, der Paradieserzählung, wird sie namentlich erwähnt. Es ist somit die erste Stelle in der Bibel, in der eine Pflanze präzise benannt wird. Ihre Blätter dienten Adam und Eva wegen ihrer Form und Größe als Kleidung, um ihre Blöße zu bedecken. Der Feigenbaum war neben dem Ölbaum und dem Weinstock der wichtigste Fruchtgeber und als Schattenspender wegen seiner großen Blätter beliebt. Feigen wurden wegen ihrer Süße hochgeschätzt. Die Früchte zeichnen sich durch einen hohen Zucker- und damit Energiegehalt aus, wodurch sie auch sehr gut lagerungsfähig sind. Man konnte sie trocknen oder zu Fladen pressen und konnte den „Pressfeigenkuchen“ für die obstlose Zeit lagern. Als Heilmittel fanden Pflaster von Feigen Verwendung. Auf diesen hohen Nutzwert ist die Bedeutung der Feige als Sinnbild für Frieden und Wohlstand zurückzuführen. Gerne pflanzte man einzelne Feigenbäume in Weingärten an und ließ die Weinranken an den Bäumen emporranken.

Der Granatapfel (Punica granatum) wird als besonders schöne und nützliche Pflanze in der Bibel erwähnt. Er ist in Vorder- und Mittelasien beheimatet und wurde dort schon lange in vorchristlicher Zeit genutzt. Der Granatbaum wächst als sommergrüner Strauch oder kleiner Baum und kann mehrere hundert Jahre alt werden. Die Früchte ähneln in ihrer Form dem Apfel, sie werden auch als Paradiesäpfel bezeichnet. Vermutlich war der Granatapfel und nicht der bei uns bekannte Apfel Malus domestica der Baum des Lebens im Garten Eden. Der Granatapfel zählt zu den Früchten, die den Reichtum des Landes anzeigen, das Gott den Israeliten schenkte. Er galt wegen seiner vielen Kerne als Sinnbild für Fruchtbarkeit und das ewige Leben. In der Bibel wird er zur Beschreibung der Schönheit einer Braut verwendet. „Die Wangen der Braut schimmern rötlich wie eine Scheibe vom Granatapfel“ (Hoheslied 4,3). Beim Bau des Tempels verwendete Salomo Granatäpfel für die beiden Säulen, die vor dem Tempel standen, als Schmuckmotiv. Und auch das Obergewand der Priester war mit einem Granatapfel-Motiv verziert. Am Saum des Gewandes wurden Granatäpfel aus Wolle befestigt und dazwischen goldene Glöckchen aufgehängt.

Mit der letzten der sieben aufgezählten Arten, dem Honig, war vermutlich der Dattelsirup und damit die Dattelpalme (Phoenix dactylifera) gemeint. Sie gilt als Symbol der Fruchtbarkeit. Dattelpalmen sind besonders für Menschen in Wüstenregionen lebenswichtige Bäume. Sie spenden Schatten und zeigen Wasservorkommen an, da ihre Pfahlwurzeln an tiefe Grundwasservorkommen reichen, die sie zumindest während der Fruchtbildung benötigen. Sie erweisen sich als echtes „Multitalent“. Eine einzige weibliche Dattelpalme kann bis zu 100 kg Früchte tragen. Ihre Beerenfrüchte haben einen Zuckergehalt von über 50% und lassen sich dadurch sehr gut lagern. Sie können zu Brot und Sirup verarbeitet, aber auch getrocknet werden. Ihre Fiederblätter wurden zum Dachdecken und als Viehfutter verwendet, das Holz diente als Bau- und Brennmaterial und die Blattfasern wurden für Flechtarbeiten verwendet. Mit ihrem geraden, aufrechten Wuchs und ihren immergrünen Wedeln war die Palme nicht nur Sinnbild für Eleganz und Grazie, sondern auch Symbol für Aufrichtigkeit und Gerechtigkeit. Unter Palmen wurde Recht gesprochen. Palmblätter wurden bei freudigen Anlässen und zu Ehrbezeigungen verwendet. Die Evangelien berichten, dass die Menschen Palmzweige auf den Weg legten, auf dem Jesus in Jerusalem einzog. Deshalb ist der Palmzweig bis heute auch ein Symbol für die Hoffnung auf die Auferstehung der Toten.

„Pflanzt Gärten und esst ihre Früchte“ (Jeremia 29,5)
Die Aufforderung des Propheten Jeremia, der etwa von 627 bis 587 v. Chr. in Jerusalem wirkte, hat auch heute, mehr als 2000 Jahren später, nichts von seiner Aktualität verloren. Im übertragenen Sinn deckt er sich mit dem Leitspruch des Botanischen Gartens „Pflanzen sind die Grundlage unseres Lebens“. Handeln wir danach!

Einige der beschriebenen Arten und andere Bibelpflanzen werden in der Orangerie des Botanischen Gartens gepflegt und können im Sommer im Freien bewundert werden. Auch ein Besuch der kleinen Palmen-Allee neben dem Kuppelgewächshaus lohnt sich.

Bei der Erstellung des Beitrages habe ich neben der Bibel insbesondere auf folgende Quellen zurückgegriffen:
www.logo-buch.de/logo-aktiv/magazin/pflanzen in der Bibel selber anpflanzen
www.bibelwissenschaft.de/wibilex/das-bibellexikon
www.wikipedia.org/wiki/Pflanzen_in_der_Bibel
www.jnf-kkl.de Jüdischer Nationalfonds e.V.
www.bibelgarten.dsp.at
ÖKo.L – Zeitschrift für Ökologie, Natur- und Umweltschutz, SonderheftPflanzen der Bibel“ (2/2007)
Burger, Anton Zum Wein in der Bibel, 2013


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