Alexandre Dumas der Jüngere hat der Kamelie 1848 in seinem Roman „Die Kameliendame“ ein literarisches Denkmal gesetzt. Das tragische Schicksal der Kurtisane griff Giuseppe Verdi ein Jahr später in seiner Oper „La Traviata“ auf und verhalf der Kamelie damit zu musikalischem Weltruhm. Die Kamelie wurde zu einem Sinnbild geheimnisvoller Erotik, tragischer Liebe und unerreichbarer Schönheit und durfte in keinem Dekolleté von Balltoiletten fehlen. Es war wohl kein Zufall, dass Dumas ausgerechnet die Kamelie als ideale Metapher für die Kurtisane wählte. Im 19. Jahrhundert gab es in Europa einen wahren Kamelienboom. In Ostasien, ihrem ursprünglichen Verbreitungsgebiet, wird sie seit Jahrtausenden kultiviert und verehrt; sie symbolisiert Freundschaft, Eleganz und Harmonie und spielte eine wichtige Rolle bei Hof- und Teezeremonien. Das Alter einiger chinesischer Exemplare wird auf über 1000 Jahre geschätzt. Ganz so alt ist die Kamelie in Pillnitz nicht, sie ist dennoch eine der dendrologischen Highlights Deutschlands. Was für Superlative! Sind Sie auch neugierig geworden? Dann folgen sie mir auf einem kleinen Streifzug durch die Kulturgeschichte der Schönen. Es ist gerade der richtige Zeitpunkt! Als Vorfrühlingsbote öffnen sich in diesen Tagen hierzulande die zauberhaften Blüten der Kamelien.
Etwas Botanik zu Anfang muss sein! Die Kamelien (Camellia) sind eine Pflanzengattung aus der Familie der Teestrauchgewächse (Theaceae) und in Ostasien beheimatet. Etwa 200 bis 300 Pflanzenarten sowie unzählige Sorten und Hybriden gehören zu der Gattung. Kamelien zählen damit neben den Rosen zu den begehrtesten und erlesensten Sammlergehölzen. Zu den bekanntesten Vertretern der Teestrauchgewächse zählen die Teepflanze (Camellia sinensis), eine Jahrtausende alte Kulturpflanze, aus deren Blättern der schwarze und grüne Tee gewonnen wird sowie die Zierpflanze Camellia japonica, eine Kamelien-Wildart, deren Namensgebung durch Carl von Linné zu Ehren des Paters und Naturforschers Georg Joseph Kamel erfolgte.


Die Japanische Kamelie (Camellia japonica), teilweise auch nur Kamelie genannt, ist die bekannteste aller Kamelienarten. Es gibt sie in einer unüberschaubaren Menge von Sorten, in ihrer Hochzeit sollen es bis zu 60 000 gewesen sein. Die immergrünen Sträucher oder kleinen Bäume sind am richtigen Standort sehr langlebig. Ihre eleganten, oft reich gefüllten und farbenprächtigen Blüten öffnen sich im zeitigen Frühjahr und duften leicht bis intensiv. Im Zusammenklang mit ihrem immergrünen glänzenden Laub und ihrem eleganten Wuchs sind die Kamelien beeindruckende Schönheiten und haben ihnen den Beinamen „Rosen des Winters“ eingebracht. Die Art Camellia sasanqua, auch Herbst- oder auch Weihnachtskamelie genannt, ist dagegen weniger bekannt. Sie blüht im Herbst und Winter, ebenfalls in überschwenglicher Fülle, allerdings jede kleine Einzelblüte nur kurz.
Kamelien sind anspruchsvolle Schönheiten, die sich nur bedingt als Zimmerpflanzen eignen, bevorzugen sie doch in ihrer Blütezeit Temperaturen unter 12°C, damit sie nicht ihre Blüten abwerfen. Sie sind jedoch ideale Balkon- und Terrassenpflanzen und können gut in Kübeln gehalten werden. Je nach Sorte sind Kamelien sogar winterhart. Sie lieben halbschattige Plätze und saure, humusreiche, immerfeuchte Erde; vor Märzsonne sollten sie allerdings geschützt werden.

Fast möchte man sagen „Es war einmal“. Bei soviel märchenhafter Schönheit und Verehrung für die Pflanze, die ganz Europa im 19. Jahrhundert ergriff, bleibt es nicht aus, dass kulturgeschichtlich über die Kamelie viele Legenden im Umlauf sind. Viele Geschichten müssen dank jüngerer Forschungen mit Vorsicht betrachtet und mit dem Etikett „vielleicht oder „vermutlich“ versehen werden. Erstmals in Europa soll sie von dem königlichen Hofgärtner und Botaniker Georg Meister in seinen Reiseaufzeichnungen „Der Orientalisch-Indianische Kunst- und Lust-Gärtner“ im Jahre 1692 beschrieben worden sein. Angeblich gelangten die ersten Kamelien im 16. Jahrhundert durch portugiesische Seefahrer nach Europa, was inzwischen jedoch angezweifelt wird. Bei so vielen Bedenken von Fachleuten ist die kuriose Geschichte wesentlich amüsanter, wonach sich die englische Kolonialmacht darum bemühte, Teepflanzen einzuführen, um das beliebte Genussmittel auf eigenen Plantagen zu züchten und damit China das Teemonopol streitig zu machen. Tatsächlich kamen Schiffe aus dem fernen Osten mit Pflanzen an, die den Teesträuchern sehr ähnlich waren. Nur: man hatte die Rechnung ohne die Chinesen gemacht! Angeliefert wurden die mit den Teesträuchern eng verwandten und ähnlich aussehenden Zierkamelien. Die ersten schriftlich nachgewiesenen lebenden Japanischen Kamelien in Europa – eine rotblühende und eine weißblühende Pflanze – wurden 1739 in den Gewächshäusern des 8. Baron Petre in Thorndon Hall in Essex gezeigt. Nach dem Tod des Barons brachte sein Gärtner James Gordon 1742 Kamelien in den Handel. Der Siegeszug der Kamelien in Europa begann!

Seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts verbreiteten sich die empfindlichen Kamelien in den Gärten und Orangerien des gehobenen Adels und Bürgertums und durften in wertvollen Pflanzensammlungen nicht fehlen. Die exotische Rarität wurde wegen ihre zarten Schönheit, Eleganz und Noblesse geliebt. Ihr Besitz war gleichzeitig aber auch ein unverkennbares Symbol für Reichtum, da nicht nur die Anschaffungskosten sehr hoch waren. Man brauchte auch eine eigene Orangerie, um die kostbaren Pflanzen sicher über den Winter zu bringen. Besonders die französische Kaiserin Joséphine liebte sie. Ihre Schönheit und die Vorliebe für alles Ostasiatische in dieser Zeit machte die Kamelie zur Modeblume schlechthin; sie gehörte zur adligen und großbürgerlichen Kultur. Ab 1800 wurden immer mehr Sorten und Varietäten eingeführt, eine rege Zucht in großen europäischen Gärtnereien begann.
Ca. 1770 kamen die ersten Kamelien nach Deutschland. Aus dieser Zeit stammt auch die Pillnitzer Kamelie. In Deutschland wurde die Kamelie besonders ab 1813 durch die Zierpflanzen-Erwerbsgärtnerei J. F. Seidel in Dresden populär. Er erkannte den Wert der Kamelien und baute durch sein Geschick ein Weltimperium des Kamelienhandels auf. Grundstock für den Kamelienanbau sollen drei Kamelien gewesen sein, die Jakob Seidel, auch Kamelienjacob genannt, aus Paris im Tornister, verpackt zwischen Kartoffeln, mitgebracht hat. Eine weitere hübsche Anekdote, deren Wahrheitsgehalt sehr gering ist! In den Botanischen Sammlungen Landschloß Pirna-Zuschendorf kann heute noch ein Bruchteil der Seidelschen Kameliensammlung, die seit 1993 unter Denkmalschutz steht, bewundert werden.


Ende des 19. Jahrhunderts ließ der Kamelienboom spürbar nach, was vermutlich darauf zurückzuführen ist, dass Schnittblumen leichter und kostengünstiger zu erzeugen waren. Erst nach dem 2. Weltkrieg erwachte das Interesse an Kamelien wieder, konnte aber nicht an den Siegeszug im 19. Jahrhundert anknüpfen, was auch daran liegen könnte, dass in modernen Wohnungen mit ihrem Heizungskomfort die Haltung von Kamelien schwierig ist. Heute kann man Kamelien vorrangig in Parks und Botanischen Gärten finden.

Die älteste und berühmteste europäische Kamelie nördlich der Alpen – eine der dendrologischen Highlights Deutschlands – wächst im Schlossgarten von Pillnitz (Dresden). Die Camellia japonica ist inzwischen fast neun Meter hoch und hat einen stattlichen Umfang von über 37 Metern. Ihre Blüten sind von karminroter Farbe, ungefüllt und ohne Duft. Ihr geschätztes Alter von ungefähr 250 Jahren hat ihrer Blühfreude keinen Abbruch getan. Doch davon später mehr!
Auch die Herkunft der Pillnitzer Kamelie ist nicht geklärt. Die These, dass sie eines von vier Exemplaren sein könnte, die der Botaniker Carl Peter Thunberg von einer Japanreise 1779 für die Königlichen Gärten von Kew mitbrachte und dass sie von dort aus den Weg nach Pillnitz fand, wird von der Forschung zunehmend bezweifelt. Ebenso kann die These, dass sie 1770 als russisches Geschenk nach Pillnitz reiste, nicht eindeutig nachgewiesen werden. Gesichert ist jedoch, dass die Kamelie zwischen 1770 und 1790 an der Dresdner Hof gelangte und von dem Hofgärtner Carl Adolph Terschek 1801 im Pillnitzer Schlossgarten an ihrem heutigen Standort ausgepflanzt wurde. Teilte sich die Kamelie in den ersten Jahren ihr Winterquartier noch mit nicht winterfesten Kübelpflanzen in einem abbaubaren, beheizten sogenannten „Conservationshaus“, so erhielt sie im späten 19. Jahrhundert ihr eigenes Schutzhaus, das unglücklicherweise vollständig aus Holz bestand. Bei einem verheerenden Brand im Januar 1905 brannte die Holzkonstruktion vollständig ab. Wie durch ein Wunder überlebte die empfindliche Pflanze, weil das Löschwasser bei minus 20 Grad sofort gefror, die Pflanze umhüllte und so vor dem Erfrieren schützte. Bereits im nächsten Jahr blühte sie wieder.

Pflanzen und Häuser wachsen! In der Folgezeit erhielt die Pflanze verschiedene komplizierte Holz- und Glasbauten bis 1992 ein neues, nunmehr gläsernes Gewächshaus errichtet wurde; ein technisches Meisterwerk, das über 13 Meter hoch und 54 Tonnen schwer ist. Die Konstruktion aus Stahl und Glas bietet beste klimatische Bedingungen und ist lichtdurchflutet. Das Haus liegt auf fest verlegten Schienen, sodass es im Winterhalbjahr über die Kamelie gefahren werden und in den Sommermonaten neben ihr geparkt werden kann. Ein kleines Spektakel findet jedes Jahr im Oktober statt. Dann öffnen sich die Flügeltore und das Haus setzt sich langsam in Bewegung, bis es die Kamelie vollständig umschließt und sich die Türen wieder schließen. So kann die Pflanze unbeschadet von der Kälte abgeschottet werden und bei 4 bis 6°C überwintern.
Die eigentliche Attraktion jedoch, die jedes Jahr zehntausende Besucher anzieht, ist die Kamelienblüte, die je nach Witterung Mitte Februar beginnt und sich bis Anfang April erstreckt. An die 35.000 Blüten öffnen sich im Laufe der Zeit und verzaubern ihre Bewunderer, die auf zwei Etagengängen entlang des gläsernen Kamelienhauses die Pflanze von allen Seiten bestaunen können.

Von der Kameliendame zur Suffragette! Neuseelands Frauen erkämpften als erstes Land der Welt 1893 das Frauenwahlrecht. Das Land war damit Vorreiter der Emanzipationsbewegung und der politischen Teilhabe von Frauen. Weiße Kamelien symbolisierten die Zustimmung zu dem Gesetz, rote Kamelien die Ablehnung. Zu Ehren der Vorkämpferin der Bewegung wurde eine weiße Camellia japonica „Kate Sheppard“ genannt. Was für eine märchenhafte Pflanzenkarriere!
Natürlich dürfen auch im Botanischen Garten in Düsseldorf Kamelien nicht fehlen. Die Fotos aus dem Botanischen Garten hat freundlicherweise Sabine Etges, die Kustodin des Gartens, gemacht. Das Titelfoto zeigt Blüten der Pillnitzer Kamelie.
4 Gedanken zu „Die Rosen des Winters
Ein kleiner Streifzug durch die Kulturgeschichte der Kamelien
“Vielen Dank für die interessanten Informationen und die schönen Fotos! Wir freuen uns auch jedes Jahr über die frühe Blütenpracht in unserem Garten und besuchen hin und wieder das Kamlienschauhaus in der Kölner Flora.
Herzlichen Dank für den freundlichen Kommentar!
Ein toller Blogbeitrag! Wie immer super recherchiert und interessant zu lesen.
Dieser Beitrag war wirklich sehr zeitaufwendig. Umsomehr freue ich mich über das Lob!