Nachdem ich in den beiden letzten Beiträgen über die Frühlingspflanzenbörse und das Fest zum 40. Geburtstag des Freundeskreises berichtet habe, ist es an der Zeit, sich wieder einem botanischen Thema zu widmen. Da passt es gut, dass zurzeit in der Orangerie des Botanischen Gartens auf einem großen Pflanzentisch verschiedene Arten von Sinningia in voller Blüte stehen. Zu Recht ist Reviergärtnerin Claudia Mahr stolz auf ihre Schützlinge, deren hellgrüne Blätter einen schönen Kontrast zu den roten Blüten bilden. Aber Sinningia? Vielleicht geht es einigen meiner Leser und Leserinnen genauso wie mir, der Name weckt keine Assoziationen bei mir. Ein guter Anlass, sich mit den Schönheiten etwas näher zu beschäftigen. Welche Pflanzen verbergen sich hinter diesem Namen?
Sinningia ist eine Pflanzengattung in der Familie der Gesneriengewächse (Gesneriaceae). Zur Familie der Gesneriengewächse gehören ca. 150 Gattungen und etwa 3700 Arten, die hauptsächlich tropisch-subtropisch verbreitet sind. Bei uns sind die Gesneriengewächse insbesondere bekannt durch zwei Zimmerpflanzen, die Usambara-Veilchen( Streptocarpus ionanthus) und die sogenannten Falschen Gloxinien (Sinningia speciosa). Sinningia speciosa bildet den Ausgangspunkt für zahlreiche gärtnerische Varianten und Zuchtformen, die besonders beliebt wegen ihrer Blütenpracht als Topfpflanzen sind ( s. Foto links). Der deutsche Trivialname Falsche Gloxinie oder schlicht Gloxinie weist auf einen botanischen Irrtum hin. Die in Brasilien beheimatete Sinningia speciosa wurde 1815 nach England mit der Bezeichnung „Gloxinia speciosa“ eingeführt. Erst später erkannte man, dass diese Art zu der Gattung Sinningia gehört. So kann sich eine Fehleinschätzung über die Jahrhunderte im Sprachgebrauch halten!
Wenn auch vermutlich Sinningia speciosa mit ihren Kultur-Hybriden die bekannteste Art innerhalb der Gattung Sinningia ist, so sollte man den Umfang der Gattung nicht unterschätzen, die von Südamerika, den Westindischen Inseln bis zur Südspitze Floridas beheimatet ist. Die Gattung Sinningia wurde 1825 von dem deutschen Arzt und Naturforscher Nees van Esenbeck beschrieben und erhielt zu Ehren des damaligen Gärtners und späteren Direktors des Königlich preußischen Botanischen Gartens Bonn, Wilhelm Sinning, den Namen Sinningia. Die erste beschriebene Art war Sinningia helleri, die lange Zeit verschollen war und erst 2015 in Brasilien wiederentdeckt wurde. Heute umfasst die Gattung umfasst ca. 78 Arten, die sich durch eine enorme Vielfalt auszeichnet. So erreicht Sinningia minima eine Größe von maximal 2,5 Zentimetern mit entsprechend winzigen Blüten, während Sinningia mauroana strauchartig eine Größe von bis zu 1,80 Metern erreichen kann.
Die meisten Arten bilden Knollen (bei fehlender Knolle sind die Stängel an der Basis sehr fleischig), die im Extremfall bis zu einem Meter Durchmesser erreichen können. Aus den unterirdischen Knollen treiben Sprosse mit Blättern und Blüten, die nach dem Fruchten wieder absterben, während die Knolle überdauert. Beeindruckend ist die erstaunliche Blütenvielfalt, die an ihrem natürlichen Standort nicht nur eine Vielfalt unterschiedlicher Insekten, sondern auch Kolibris und kleine Fledermäuse anlockt.
Auf dem Pflanzentisch in der Orangerie kann man sich zurzeit an verschiedenen Arten von blühenden Sinningia erfreuen. Sinningia bullata ist bemerkenswert für ihre dicke weiße Wolle auf der Unterseite von neuen Blättern und der Spitze von neuen Trieben, ebenso wie für ihre höckerartigen, blasigen Blätter („bullata“) und ihre kontrastierenden roten Blüten. Sinnigia cardinalis besticht durch ihre langen, haubenartigen Blüten vor attraktiven, mit feinen silbrigen Härchen überzogenen, grünen Blättern. Sinningia macropoda hat scharlachrote Blüten mit langer Kronröhre, die gruppenweise zum Blühen kommen und bei sinningia leucotricha möchte man am liebsten über die zarten Härchen auf den Blättern streicheln. Nicht umsonst hat sie den Trivialnamen „brasilianisches Edelweiß“!
Man sollte sich also nicht von den fast schon aufdringlichen Blüten der Gloxinien blenden lassen. Die Gattung Sinningia hat viel mehr zu bieten!
Die Suche nach geeigneter Literatur zum dem Thema gestaltete sich schwierig. Umso hilfreicher war der Aufsatz „Blüten- und Bestäubungsvielfalt bei Sinningia“ von Alian Chautems, Mathieu Perret & Anton Weber in „Der Palmengarten“ Bd. 85, Frankfurt 2021.
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