Im Schattengarten

Wo der Himmel voller Kiwis hängt

In den letzten Monaten war der Schattengarten ein echter Geheimtipp, um der drückenden Hitze zu entgehen. Geschützt durch die den Botanischen Garten einfassenden Außenmauern und eingerahmt von einer Turners Eiche* auf der einen und einem Berg-Ahorn auf der anderen Seite konnte man sich an diesem als Senkgarten angelegten, lauschigen Platz erholen und durchatmen. Die fast schon magische Atmosphäre des Gärtchens verdanken wir zwei Auszubildenden, die im Botanischen Garten ihre Ausbildung zum Staudengärtner absolviert haben.

Der Botanische Garten dient nicht nur der Forschung, sondern ist auch ein Ort der Ausbildung, wo die Azubis als Teil ihrer Ausbildung mit der Durchführung eines selbstständigen Projektes betraut werden. So sind in den letzten Jahren fünf Gartenbereiche von Auszubildenden überarbeitet worden. Hierzu gehört auch der Schattengarten, der von Vanessa und Lukas neu gestaltet wurde. Ihnen schwebte ein exotisch-dschungelartiger Raum vor, den sie mit großem Engagement verwirklicht haben. Wenn man heute das Ergebnis sieht, kann man die beiden nur beglückwünschen.

Der Schattengarten, bevor Vanessa und Lukas Hand anlegten
Der Schattengarten im Sommer 2022

Vom Herbst 2018 bis zum Sommer 2019 erstreckten sich die Arbeiten. Der Boden wurde teilweise ausgebaggert und die Fläche neu modelliert, sodass ein Senkgarten, der von Felsenhügeln umgeben ist, entstand. Die bereits bestehende Pergola wird heute von einer Glyzinie, Kiwipflanzen und einer Pfeifenwinde umrankt, die für ein gefiltertes, gedämpftes Licht sorgen. Im Zusammenklang mit dem üppigen Bodenbewuchs fühlt man sich tatsächlich an einen Dschungel erinnert. Zurzeit dominieren zahlreiche Farne wie der Spreuschuppige Wurmfarn (Dryopteris affinis subsp.affinis) oder der Gabel-Streifenfarn (Asplenium septentrionale subsp. septentrionale) das Bild, aber auch die Hosta sind nicht zu übersehen.

Hauptattraktion sind im Augenblick jedoch die Kiwifrüchte, die an der üppig berankten Pergola in großer Fülle hängen. Sofort ins Auge fallen die Kiwis der Actinidia deliciosa, die wir aus den Obstgeschäften kennen, auch wenn sie in unserem Klima nicht die Größe und Süsse wie in ihren Hauptanbaugebieten erreichen. Bei den eher kleinen beerenartigen Früchten, die seitlich an der Pergola wachsen, handelt es sich ebenfalls um Kiwis, den sogenannten Kiwibeeren (Actinidia arguta), die auch essbar sind. Wer ein besonders scharfes Auge hat, kann zudem zwischen den herzförmigen Blättern der Pfeifenwinde (Aristolochia macrophylla) vereinzelt ihre Früchte entdecken: grüne Schoten, die allerdings giftig sind.

Actinidia deliciosa, die im Deutschen Kiwi und seltener auch Chinesischer Strahlengriffel oder Chinesische Stachelbeere genannt wird, ist eine nur in der Kultur vorkommende Art der Strahlengriffelgewächse (Actinidiaceae). Sie wird erst seit einigen Jahren als eigenständige Art geführt. Bis dahin galt sie als Varietät von Actinidia chinensis. Wie der Name bereits andeutet, stammen die Früchte ursprünglich aus dem südlichen China. Eine Lehrerin importierte die ersten Samen aus einer Mission im Jangtsekiangtal im Jahr 1904 nach Neuseeland. Die Pflanze fand dort ideale Klimabedingungen vor, sodass sich ein äußerst erfolgreicher kommerzieller Anbau entwickelte. Wie wir sehr schön im Schattengarten beobachten können, ist Actinidia deliciosa eine lianenartig wachsende, verholzende Schlingpflanze, die bis zu 10 Meter Wuchshöhe erreichen kann. Die Art ist zweihäusig, männliche und weibliche Blüten stehen an getrennten Pflanzen.

Die Kiwibeere, der scharfzähnige Strahlengriffel, ist ebenfalls eine Pflanzenart in der Familie der Strahlengriffelgewächse, auch wenn ihre Früchte vom Aussehen her wenig mit der handelsüblichen Kiwi gemein haben. Der schlingende Kletterstrauch mit langen, dünnen Trieben, die bis zu sechs Meter Wuchshöhe erreichen können, wird in den letzten Jahren zunehmend als Alternative zur Kiwi empfohlen, da er wesentlich frostunempfindlicher ist. Die kleinen Beeren haben eine glatte Schale, schmecken ähnlich wie ihre großen Verwandten und sind ebenfalls reich an Vitamin C und Mineralstoffen.

Und wie ist die chinesische Stachelbeere zu ihrem Namen “Kiwi” gekommen, unter dem sie heute in Europa bekannt ist? Der Kiwi, die Kiwis und die Kiwi, da kann man leicht durcheinander kommen! Namensgeber der Kiwifrucht ist der Kiwi, ein flugunfähiger, nachtaktiver Vogel, der in den Wäldern Neuseelands lebt und von den Maoris, den ersten Bewohnern Neuseelands, als “Kiwi” bezeichnet wurde (den Vogelruf nachahmend). Bei der Namensgebung blieb es, er wurde von den späteren Einwanderern übernommen. Der Vogel wird von den Neuseeländern so geliebt, dass er nicht nur das Nationalsymbol Neuseelands ist. Die Neuseeländer selber bezeichnen sich als “die Kiwis”, was dazu führt, dass zahlreiche neuseeländische Produkte die Vorsilbe “Kiwi-” bekamen.
Ab 1952 wurde die chinesische Stachelbeere von Neuseeland aus, dem Hauptanbaugebiet, zunächst nach England exportiert und erfreute sich später auch in Kontinentaleuropa und Nordamerika zunehmender Beliebtheit. 1959 wurde sie erstmals in London unter dem Namen “Kiwi” in Anlehnung an die Identifizierung mit dem Vogel vertrieben. Der Name Kiwi war also eine Marketingidee, aber durchaus passend, nicht wahr? Erinnert die Kiwifrucht mit ihrem brauen Pelz nicht ein wenig an das Gefieder des Kiwi-Vogels?

Der Schattengarten liegt hinter dem Bauerngarten Richtung Nutzpflanzen und ist mit seiner belaubten Pergola leicht auszumachen.


Bei Instagram wurde unter dem Hashtag #freundeskreisbotanischergarten am 21.08.2022 auf die reiche Kiwiernte im Botanischen Garten hingewiesen.

* Die Immergrüne Eiche, auch Turners Eiche genannt, ist eine Züchtung/Kreuzung aus der im Mittelmeerraum beheimateten Steineiche und der Stieleiche. Sie gehört zur Pflanzengattung Eichen (Quercus) innerhalb der Familie der Buchengewächse (Fagaceae). Sie wurde um 1780 in der englischen Gärtnerei “S. Turner Nursery” aus Essex gezüchtet, worauf das Epitheton “turneri” hinweist, wo die Art erstmals dokumentiert gezüchtet wurde. Es bestehen also keine Verbindungen zu dem englischen Maler William Turner, wie man als kunstaffiner Mensch zunächst vermuten könnte!

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