Prächtig steht der Gemüse-Kohl im Nutzgarten zurzeit da. Frühwirsing, Brokkoli, Rosenkohl, Weißkohl, Blumen- und Rotkohl – um nur einige zu nennen – wetteifern darum, das schönste „Top-Model“ im Kohl-Beet zu sein. Man mag kaum glauben, dass diese Vielfalt an unterschiedlichen Pflanzenformen, Pflanzenfarben und insbesondere auch an essbaren Pflanzenteilen auf eine Urform, den Wild-Kohl, zurückgeht. Neugierig geworden, habe ich mich näher mit dem Gemüse-Kohl beschäftigt.
Titelfoto: Butterkohl, im Bild Rotkohl
Gemüse-Kohl (Brassica oleracea) ist eine Pflanzenart der Gattung Kohl (Brassica) in der Familie der Kreuzblütengewächse (Brassicaceae), den es in einer Vielzahl von Zuchtformen gibt. Auch wenn man es kaum glauben mag, alle heutigen Formen des Gemüse-Kohls sind Varietäten des Wild-Kohls ( Brassica oleracea var. oleracea). Die Urform wächst heute noch an den Küstenfelsen des Mittelmeeres und des Atlantiks von Spanien bis Südengland. In Deutschland findet man ihn nur auf Helgoland, wo er Klippenkohl genannt wird und unter Naturschutz steht. Umstritten ist das Ursprungsland des Wild-Kohls, wahrscheinlich stammt er jedoch aus dem Mittelmeerraum. Da der Gemüse-Kohl aber auch in vielen anderen Klimazonen und bis zu 2000 Meter hoch gedeiht, wird er weltweit angebaut und geschätzt. Nach den Tomaten (die botanisch gesehen zum Obst zählen) ist er das meistangebaute Gemüse der Welt. Hauptproduzent des Gemüse-Kohls ist die Volksrepublik China, in der Europäischen Union ist Deutschland führend. Im Kreis Dithmarschen in Schleswig-Holstein befindet sich seit dem 19. Jahrhundert Europas größtes zusammenhängendes Anbaugebiet für Kopfkohl.
Fotos von links nach rechts: Grünkohl, Weißkohl, Rotkohl,Rosenkohl, Brokkoli, Frühwirsing
Wann und wo die Wildformen in Kultur genommen wurden, lässt sich nicht nachvollziehen. Vor 3000 Jahren züchteten Griechen aus einer großblättrigen, bitteren Staude eine Vielzahl unterschiedlicher Gemüsesorten. Platon, Aristoteles und Hippokrates wussten um die Heilwirkung von Kohl. Auch die Römer kultivierten den Kohl, er wurde als Suppe gegessen und auch schon eingesäuert. Kohl ist unter dem Namen „Caulos“ bereits in der Landgüterverordnung Karls des Großen aufgeführt, die er Ende des 8. Jahrhunderts erließ und die 73 Pflanzen umfasste. Im Mittelalter gewann der Kohl an Bedeutung in Deutschland. Innerhalb weniger Jahrhunderte wurde er, ebenso wie die Rübe, zum unentbehrlichen Bestandteil des Speiseplans. Winterfeste Zuchtformen und gute Lagermöglichkeiten des Gemüse-Kohls erwiesen sich oftmals als Rettung in der Not, wenn es einen besonders strengen Winter zu überstehen galt. Kohl handelte sich den Ruf als „Arme-Leute-Essen“ ein. Heute erlebt der Gemüse-Kohl wieder eine Renaissance. Insbesondere der Grünkohl gilt als schickes „Superfood“.
Im Laufe der Jahrhunderte wurden durch Pflanzenselektion und intensive Zuchtarbeit 15 Varietäten des Wild-Kohls mit großen morphologischen Unterschieden geschaffen, denen man ihre gemeinsame Abstammung nicht unbedingt ansieht. Kaum eine andere Pflanzenart ist durch Mutation und menschliche Züchtungsarbeit so stark verändert worden wie der Wild-Kohl. (Links im Bild ein besonders prächtiger Kohlrabi)
Der aus dem Wild-Kohl hervorgegangene Gemüse-Kohl ist als Kulturform eine ein- bis zweijährige Pflanze mit zwittrigen vierzähligen Blüten und vier kreuzförmig angeordneten Kronblättern. Der Stängel ist abstehend-sparrig, jedoch wenig verzweigt und aufrecht. Die Blätter sind graugrün und haarlos. Früchte sind die für die Familie typischen Schoten. Die Zuchtformen sind immer über Samen vermehrbar und kreuzen sich auch leicht untereinander, was zur Vielfalt des Gemüse-Kohls beiträgt.
Je nach Varietät wurden unterschiedliche Pflanzenteile züchterisch beeinflusst. Dem Kopfkohl (Brassica oleracea canvr. capitata L.) mit den Varietäten Weißkohl, Spitzkohl, Rotkohl und Wirsing traut man noch am ehesten „verwandtschaftliche“ Beziehungen zu. Hier ist die Sprossachse so stark gestaucht, dass die gut entwickelten Blätter dicht gedrängt stehen und wie eine große Knospe erscheinen. Beim Blumenkohl, Romanesco und beim Brokkoli werden die gestauchten und verdickten Blütenstände mit unzähligen Blütenknospen verwendet und beim Rosenkohl wurden die Seitentriebe zu kleinen Köpfchen gestaucht. Beim Kohlrabi ist der Spross kugelig verdickt. Palmkohl, Kuhkohl und Grünkohl weisen stark gekräuselte Blätter auf. Umstritten ist die Zugehörigkeit des Chinakohls zum Gemüse-Kohl, er wird botanisch gesehen den Rübsen (Brassica rapa) zugerechnet.
Zum Ende meines Beitrages möchte ich noch das Geheimnis des kuriosen Titels dieser Abhandlung lüften: Ein Kohl als Spazierstock? Auf der englischen Insel Jersey wächst der „Jersey cabbage“ (Brassica oleracea longata) auch „Walking Stick Cabbage“genannt, ein Gemüse-Kohl, der in Ausnahmefällen bis zu sechs Meter ansonsten um die zwei Meter hoch werden kann. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts stellten Inselbewohner aus den langen Kohlstämmen Spazierstöcke her. Die Blätter wurden als Futter und Wintergemüse genutzt, der Kohlstrunk wurde abgeschnitten und zwei Jahre lang getrocknet. Danach wurde der Stock geschliffen, lackiert, mit einer Stahlspitze und einem Knauf versehen. Bis zu 30 000 Stück sollen bis ins frühe 20. Jahrhundert jährlich verkauft worden sein, insbesondere für Exportzwecke.
Der Gemüse-Kohl ist halt ein Multitalent!
Für den Beitrag habe ich insbesondere auf folgende Quellen zurückgegriffen:
Erlebnis Garten, Sabine Etges und Martin Jahns
de.wikipedia.org/wiki/Gemüsekohl
de.wikipedia.org/wiki/Grünkohl
en.m.wikipedia.org/jerseycabbage
www.acker.co/Neuigkeiten/schmeckt-und-schmueckt-multitalent-gemuesekohl
www.planet-wissen.de/gesellschaft/lebensmittel/kohlgemuese
www.mein-schoener-garten.de/kohl
www.hortipendium.de/Gemüsekohl
Grünkohl – Ein zu wenig beachtetes Gemüse, Autoren Dirk Albach, Vera Mageney, Christoph Hahn, PDF-Datei Uni Oldenburg
www.mariesgutestube.de