In der Kuppel, um die Kuppel und um die Kuppel herum

Teil 5: Der Palmenhain

Sommer, Wärme, Licht und Leichtigkeit! Palmen sind wahre Sehnsuchtsgewächse, keine andere Pflanze vermittelt so viel Tropenflair. Wenn man sich trotz der anstehenden kalten Jahreszeit noch ein wenig in den Süden träumen möchte, dann lohnt ein Besuch des Palmenhains neben dem Kuppelgewächshaus im Botanischen Garten. Noch wird der Weg zum Wäldchen von Palmen flankiert, die in Töpfen kultiviert werden. Sie müssen jedoch bald wieder in die Orangerie zum Überwintern gebracht werden. Ganzjährig bewundert werden können dagegen die Palmen, die im Freien wachsen und unseren Wintern trotzen. Wie schaffen sie das? Ich habe hierüber mit Lars Leonhard, dem Reviergärtner für das Kuppelgewächshaus und Initiator des Palmenhains gesprochen.

Wer meinen Blog verfolgt, weiß, dass Lars Leonhard gerne experimentiert. Und so hatte er 2002/2003 erstmals die Idee, winterharte Palmen neben der Kuppel im Freien anzupflanzen. Um festzustellen, welche Palmen geeignet sind, lohnt ein kleiner Exkurs zu den Begriffen “winterfest” und “winterhart”. Die Begriffe werden leicht durcheinander gebracht, sind aber gerade bei Exoten, die bei uns ausgebracht werden sollen, von entscheidender Bedeutung.

Als “winterfest” bezeichnet man in unseren Breitengraden in der Regel Pflanzen, die im Winter bestimmte Minustemperaturen aushalten können. Um tatsächlich überleben und gedeihen zu können, ist es damit aber nicht getan. Ebenso spielen beispielsweise Faktoren wie Trockenheit, zu starke Nässe, Temperaturstürze und der Verlauf der Bodentemperatur eine wichtige Rolle. “Winterfest” ist daher ein unsicherer Indikator. Die Pflanzen benötigen meist eine Unterstützung, um den Winter zu überstehen.

Als “winterhart” werden dagegen Pflanzen bezeichnet, die ausreichend robust sind und in der Regel in der Lage sind, die verschiedenen Witterungsbedingungen im Winter ohne menschliche Hilfe zu überstehen. Aber wie so oft, kommt es auch bei der Definition der “Winterhärte” auf den Blickwinkel an. Was im Mittelmeerraum als winterhart gilt, kann in Deutschland nicht unbedingt als winterhart eingestuft werden. Um die Verträglichkeit einer Pflanze mit den winterlichen Wetterbedingungen genauer zu bestimmen, ist die Karte der Winterhärtezonen für Mitteleuropa (WHZ) von Heinze und Schreiber von 1984 hilfreich. Von den insgesamt elf unterschiedlichen Winterhärtezonen reichen in Deutschland die Zonen von 5b (bis zu minus 26,0°C Alpengebiet) bis zu 8a (bis zu minus 9,4°C Rheingraben). Für jede Pflanzenart läßt sich eine Empfehlung zur entsprechenden Winterhärtezone ermitteln. Dennoch kann auch diese Einteilung nur eine Orientierungshilfe sein. Zu berücksichtigen sind auch die jeweiligen Lagen und das Kleinstklima. Die Wahl des Standortes sollte daher auch bei winterharten Pflanzen besonders bedacht werden.

Aber zurück zum Palmenhain! Nach ausführlichen Recherchen war es 2005 soweit. Die Pflanzpläne waren gezeichnet und die Umsetzung konnte beginnen. Um die gefürchtete, schädliche Staunässe zu verhindern und eine gute Durchlässigkeit des Bodens zu gewährleisten, wurde der Boden zunächst ausgekoffert und mit Bims versetzt. Lavagestein wurde zur Dekoration eingebracht. Die erste Palmenwahl fiel auf Trachycarpus fortunei, die Chinesische Hanfpalme, die als besonders robust gilt und vom Himalaya bis nach Nord-Thailand und die Volksrepublik China heimisch ist.

Trachycarpus fortunei ist optisch sehr ansprechend und kommt unseren Vorstellungen von einer Palme wohl am nächsten. Sie ist nicht nur frostunempfindlich, sondern auch sehr nässetolerant. Ihre maximale Wuchshöhe beträgt 12 bis 15 m. Der Stamm ist in der Jugend und später nur im oberen Teil dicht mit braunen Fasern bedeckt. Material, das Rabenvögel gerne abzupfen und für die Auspolsterung ihrer Nester nutzen! Die Blattkrone kann aus 50 und mehr grünen dekorativen Blattwedeln bestehen. Ab einer Stammhöhe von ca. 1 Meter bzw. nach 10 Jahren erreicht die Chinesische Hanfpalme ihre Geschlechtsreife, die zweihäusig getrenntgeschlechtig ist. Die männlichen Blütenstände haben auffällig gelb gefärbte Blüten, während die weiblichen Blütenstände hellgrün und weniger dicht mit Blüten besetzt sind. (Links im Bild eine junge Trachycarpus forunei)
Trachycarpus fortunei “wagnerianus”, ebenfalls winterhart, ist eine nicht so hoch wachsende gärtnerische Zuchtform von Trachycarpus fortunei und hat wesentlich kleinere Blätter, die Wedel sind damit nicht so windanfällig. Im Botanischen Graten stehen beide Formen dicht nebeneinander, was zur Bildung von Hybriden führt und für Überraschungen sorgt. Eine weitere geeignete Art aus der Gattung der Hanfpalmen ist z.B. Trachycarpus princeps.

Trachycarpus fortunei mit männlichen und weiblichen Blüten

Star im Palmenhain ist jedoch eine besonders schöne Trachycarpus nanus, die 2005 ausgepflanzt wurde. Sie ziert den entsprechenden Eintrag bei Wikipedia und hat es zu wahrer Berühmtheit gebracht. Im Gegensatz zu Trachycarpus fortunei kann sie keinen größeren oberirdischen Stamm ausbilden. Sie hat sehr tief eingeschnittene Blattsegmente und Blütenstände, die direkt zwischen den Blättern aus dem Boden heraustreten. Fotos des Stars nachfolgend!

Wenn man es lieber langsam angehen möchte, dann ist die Nadelpalme (Rhapidophyllum hystrix) die richtige Wahl. Sie ist klein und langsam wachsend und bildet im Alter oft mehrstämmige Horste. Ihr natürliches Verbreitungsgebiet liegt in den südöstlichen USA. Sie gilt als die kälteresistenteste Palmenart überhaupt und sollen Niedrigtemperaturen bis zu minus 24°C aushalten können. (Foto links)
Eine weitere kleinwüchsige Palme ist die Zwergpalmettopalme (Sabal minor), die ebenfalls aus dem Südosten der USA stammt. Auch sie ist mit bis zu minus 20°C besonders kälteresistent. Sie hat meist einen unterirdischen Stamm, so dass man den Eindruck hat, als ob die Wedel direkt auf der Erde sitzen würden. Im Palmenhain gibt es ein besonders schönes Exemplar, das aus einem Kübel ausgepflanzt wurde und mittlerweile fast 40 Jahre alt ist.

Sabal minor, das Prachtstück!

Gute Erfahrungen hat Herr Leonhard auch mit der Europäischen Zwergpalme (Chamaerops humilis) gemacht, die häufig mehrstämmig wächst und wie ihr Name “humilis” bereits andeutet, von niedrigem Wuchs ist. Sie ist robust, buschig, windrestistent und hat eine Frosttoleranz bis zu minus 14°C. Trotzdem empfiehlt sich im Winter ein Schutz.

Europäische Zwergpalme (Chamaerops humilis)

Auch wenn die geschilderten Arten als besonders kälteresistent und für unsere Breiten als geeignet erscheinen, in den ersten Jahren sollten kleine Pflanzen vor Kälte und Nässe geschützt werden. Im Botanischen Garten ist seit 2012 nur noch bei sehr langen, nassen Wintern und strengen Frösten ein Winterschutz erforderlich. Um die Pflanzen möglichst früh an unser Klima zu gewöhnen, sollten möglichst junge Pflanzen im Alter von drei bis vier Jahren ausgepflanzt und in den ersten Jahren mit einer Haube geschützt werden. Haben sich die Jungpflanzen erst einmal etabliert, dann wachsen sie deutlich schneller und der Stamm wird umfangreicher als in Kübeln gehalten. Herr Leonhard erinnert sich, dass man sich in den ersten Jahren bücken musste, um die Palmen zu betrachten, heute muss man hinaufschauen!

Bei dieser Chinesischen Hanfpalme, die im Kübel aus Wuppertal übernommen wurde, sieht man besonders schön, wie sich der Stamm im Freiland verdickt hat.

Trotz aller Begeisterung für Palmen, möchte man sie wirklich auch im eigenen Garten anpflanzen? In der Schweiz wurde die Chinesische Hanfpalme ursprünglich als Zierpflanze gesetzt. Sie hat sich jedoch so intensiv verbreitet und verwildert, dass sie heute umgangsprachlich auch als Tessinerpalme bezeichnet wird. Auf Grund der Verdrängung der einheimischen Vegetation wurde sie in der Schweiz in die Schwarze Liste invasiver Neophyten aufgenommen. Zudem ist sie für Vögel und Wildbienen als Nahrungsmittel nutzlos. In einem Botanischen Garten, der die biologische Vielfalt der Pflanzenwelt zeigen soll, ist ihre Haltung sinnvoll und angemessen. In privaten Gärten sollte man sich überlegen, ob einheimische Gehölze nicht die bessere Alternative sind. Schließlich sollen die ausgewählten Pflanzen nicht nur für Menschen attraktiv sein, sondern auch für alle anderen Lebewesen in der Region nützlich sein.

Sabal minor

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