Dieses Baumes Blatt …

Ginkgo biloba, ein Relikt aus fernen Zeiten

Was für Superlative! Ginkgo biloba ist der letzte Vertreter einer uralten Pflanzenfamilie. „Lebendes Fossil“ nannte Charles Darwin ihn, der Baum gilt in Asien als heilig, er überlebte den Abwurf der Atombombe auf Hiroshima, wurde zum Baum des Jahrtausends ernannt und Goethe machte ihn in seinem Gedicht „Ginkgo biloba“ unsterblich. Woher kommt so viel Enthusiasmus?

Ginkgo biloba, der Ginkgo Baum, auch Fächerblattbaum genannt, ist der einzige heute noch lebende Vertreter der Ordnung der Ginkgoales mit der Familie der Ginkgobaumgewächse (Ginkgoaceae).

„Lebendes Fossil“! Charles Darwin, der berühmte Naturforscher, war es, der die Bezeichnung „lebendes Fossil“ zunächst für den Ginkgo Baum schuf, ein Begriff, der ein Widerspruch in sich ist. In seinem 1859 erschienenen weltbekannten Werk „On the Origin of Species“ erwähnte er Lebewesen, die ein besonderes biologisches Phänomen aufweisen: Tier- und Pflanzenarten, die als einzige Überlebende weit zurückliegender Zeiten heute noch existieren und mit ihren alten Verwandten, die vor Hunderten von Millionen Jahren lebten, fast völlig identisch sind. Alter Adel möchte man sagen!

Die Wurzeln des Ginkgo biloba, der zur Gruppe der Nacktsamer (Gymnospermae) gehört, reichen vermutlich bis ins Zeitalter des Perm zurück, als Teile Europas noch vom Urmeer überflutet waren. Seine Blütezeit erlebte er mit zahlreichen anderen Verwandten seiner Art im Jura (vor ca. 201 bis 145 Millionen Jahren), der Zeit der großen Saurier. Im Tertiär ( vor ca. 66 – 2,6 Millionen Jahren) kam es dann zu einem raschen Niedergang. Die Ursachen dürften in der Entwicklung der Koniferen und der Bedecktsamer (Angiospermae) als Konkurrenten zu den Ginkgos liegen; Klimaperioden von Trockenheit und Dürre taten ein Übriges. Die Eiszeiten in Europa und Amerika wurden dann den über die ganze Nordhalbkugel bis weit in den Norden (Grönland) verbreiteten Ginkgos zum Verhängnis. Bis auf Ginkgo biloba starben alle Arten aus. Natürliche Populationen von Ginkgo biloba sind als Rückzugsorte nur noch aus dem Südwesten China bekannt.

Ginkgo biloba in Piazzale Michelangelo Firenze

Ginkgo biloba wurde ab etwa 1000 nach Christus in ganz Ostasien als Tempelbaum in der Nähe von Klöstern gepflanzt und gelangte so auch auf die koreanische Halbinsel sowie nach Japan. Von den Chinesen und Japanern wird der als heilig geltende Baum sehr verehrt. Zeitweilig dienten seine Blätter im alten China sogar als Zahlungsmittel. Der Baum steht als Symbol für langes Leben und Fruchtbarkeit, Unbesiegbarkeit und Freundschaft. Er gilt als lebensverlängernd und kraftspendend. Unter ihm werden Wünsche ausgesprochen und Mütter erbitten sich Milch für ihre Babys. Die Samen gelten bei einem japanischen Hochzeitsessen als Glücksbringer. Gleichzeitig wird der Baum in vielen Erzählungen als Wohnort von Geistern beschrieben und wird daher gleichermaßen geschätzt und gefürchtet.

Seine ersten Spuren hinterließ der Ginkgo biloba in Europa ab ca 1730, als ihn holländische Händler aus Japan mitbrachten und im botanischen Garten der Universität von Utrecht anpflanzten. Seinen lateinischen Namen verdankt der Ginkgo einem Transliterationsfehler. Der deutsche Arzt und Japanforscher Engelbert Kaempfer führte von 1690 bis 1691 umfangreiche Untersuchungen der Pflanzenwelt Japans durch. Er legte großen Wert auf die korrekte Wiedergabe der einheimischen Namen, leider übersetzte er die sinojapanische Aussprache von „Ginkyō“ (gin gleich Silber und kyō gleich Aprikose) unglücklicherweise in „Ginkgo“ und nicht in das lautmalerisch viel ansprechendere „Ginkjo“. Aber es half alles nicht. Der Name Ginkgo wurde von Carl von Linné übernommen und ist seither unveränderbarer Bestandteil der Nomenklatur. Der Zusatz „biloba“ weist auf die Zweilappigkeit des Blattes hin. Aber „Hand aufs Herz“! Wäre es nicht viel ansprechender und wohlklingender gewesen, ihn in Anlehnung an seinen chinesischen Namen „Silber-Aprikosenbaum“ zu nennen?

Ginkgo Bäume im Botanischen Garten Düsseldorf

Die Ginkgo-Bäume gehören weder zu den Nadel- noch zu den Laubbäumen, sondern nehmen eine Sonderstellung ein. Trotz ihrer optischen Ähnlichkeit mit Laubbäumen sind sie näher mit den Nadelbäumen verwandt, bilden aber letztlich eine eigene Klasse. Der sommergrüne Baum wächst schlank und aufrecht, in seiner Jugend jedoch sehr langsam. Er kann bis zu 40 Meter hoch werden und einen Brustdurchmesser von 5 Metern erreichen. Eine kegelförmige Krone entwickelt er ab ca. 25 Jahren. Die langgestielten Blätter haben eine auffällige, fächerartige und häufig zweigeteilte Form, die einmalig in der Pflanzenwelt ist und als die ursprünglichste Form von Blättern gilt. Sie werden bis zu 10 cm lang und breit und wachsen in Büscheln an Kurztrieben oder einzeln an Langtrieben. Im Herbst verfärben sich die Blätter intensiv goldgelb und können mehrere Wochen am Baum hängen bleiben, bevor sie innerhalb weniger Tage zu Boden fallen. Die Blätter, aber auch Holz und Wurzeln, sind für fast alle Insekten mehr oder weniger toxisch. So werden in Japan und China Blätter des Ginkgobaums als Lesezeichen verwendet, um Bücher vor Silberfischen und Insektenlarven zu schützen.

Der Ginkgo Baum ist zweihäusig, das heißt er bildet männliche und weibliche Pflanzen aus, deren Geschlecht man bis zur Samenbildung im Alter von 20 bis 30 Jahren weder am Habitus noch an der Blattform eindeutig erkennen kann. Und hier beginnt ein gewisses Dilemma des an sich so geschätzten Baumes. An den weiblichen Bäumen bilden sich im Herbst gelbe fleischige Samen mit Steinkern, die Mirabellen ähneln, von denen jedoch ein penetranter Gestank ausgeht. Der ranzige, unangenehm nach Buttersäure riechende Geruch entsteht, wenn das stark fetthaltige Samenfleisch verfault. Bei Anpflanzungen in Deutschland wird daher den männlichen Exemplaren (so man sie erkennt!) der Vorzug gegeben. Ganze Straßenzüge sind schon wegen geschlechtsreifer, weiblicher Ginkgos in Verruf geraten, auch in Düsseldorf drohte aus diesem Grund einer weiblichen Ginkgo Anpflanzung in einer kleinen Straße das Aus. Demgegenüber werden sie in asiatischen Parks und Alleen gerne nebeneinander gesetzt, da der gegarte Kern des Ginkgosamens als Beilage zu traditionellen japanischen Gerichten, als Gewürz und als Knabberei sehr geschätzt wird. Aber nicht nur das. Ginkgos stellen zudem die Basis für viele Heilmittel und Medizinprodukte sowohl in der traditionellen als auch in der modernen Medizin dar. Beispielhaft seien hier der Einsatz bei Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen und arteriellen Durchblutungsstörungen genannt.

Ginkgo biloba ist nicht nur ein ferner Ruf aus alten Zeiten. Auch in unserem Erdzeitalter erstaunt er durch seine Robustheit. In Asien sind Ginkgos mit einem Alter von 1000 bis 2000 Jahren keine Seltenheit. Der möglicherweise älteste Ginkgo in Deutschland wurde angeblich um das Jahr 1750 im Frankfurter Stadtteil Rödelheim gepflanzt. Der Ginkgo ist nicht nur ästhetisch sehr ansprechend und erfreut sich daher seit Jahrhunderten auch in der westlichen Welt großer Beliebtheit. Dank seiner erstaunlichen Widerstandsfähigkeit und Anspruchslosigkeit gehört der Ginkgo Baum heute zu den sehr häufig gepflanzten Zierbäumen vor allem in schwierigen innerstädtischen Standortsituationen. Gingkos gelten als sehr resistent gegen Pilze, Bakterien und Viren, bezüglich Insekten gilt er als der am wenigsten anfällige Baum überhaupt. Selbst extreme Luftverschmutzung kann er gut ertragen. Legendär ist die Geschichte des Tempelbaums von Hiroshima, der bei der Atombombenexplosion 1945 in Flammen aufging, aber in den darauf folgenden Monaten wieder austrieb und weiterlebte. Der Ginkgobaum ist somit ein Symbol für Widerstandskraft und unbesiegbarem Willen zum Überleben. Für das deutsche „Kuratorium Baum des Jahres“ stellt der Ginkgo biloba ein Mahnmal für Umweltschutz und Frieden dar und wurde zum Jahrtausendwechsel zum Baum des Jahrtausends erklärt.

Ein Beitrag über den Ginkgo biloba kann nicht ohne das Gedicht von Johann Wolfgang von Goethe enden, mit dem er den Baum unsterblich machte. 1815 schrieb Goethe einen Brief, der auch das Ginkgo Gedicht beinhaltete, an seine späte Liebe Marianne von Willemer. Dem Brief waren zwei Ginkgo Blätter als Symbol der Freundschaft beigelegt. Das Gedicht wurde 1819 in seiner Sammlung „West-östlicher Diwan“ veröffentlicht. Der Brief wird heute im Goethe-Museum in Düsseldorf aufbewahrt, in dessen unmittelbarer Nähe zahlreiche GInkgo Bäume stehen.Ein Besuch lohnt sich!

Ginkgo biloba
Dieses Baumes Blatt, der von Osten
Meinem Garten anvertraut,
Gibt geheimen Sinn zu kosten,
Wie´s den Wissenden erbaut.
Ist es ein lebendig Wesen,
Das sich in sich selbst getrennt?
Sind es zwei, die sich erlesen,
daß man sie als eines kennt?
Solche Fragen zu erwidern
Fand ich wohl den rechten Sinn.
Fühlst du nicht an meinen Liedern,
Daß ich eins und doppelt bin?

Bei der Erstellung des Beitrages habe ich insbesondere auf folgende Quellen zurückgegriffen:
www.biologie-seite.de, Stichwort Ginkgo
www.wikipedia.org, Stichwort Ginkgo
www.cermeter-pflanzen.de, Stichwort Mythos Ginkgo
www.uni-muenster.de, Stichwort Ginkgo
www.erlebnisraum-natur.de, Stichwort Ginkgo
www.lwg.bayern.de, Stichwort Ginkgo
www.ginkgomuseum.de

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