Von echten und falschen Mimosen

Mimosa pudica versus Acacia dealbata

Sie gehören zum rheinischen Karneval wie die Kamellen und Bützje: die heiß begehrten Strüßjer, die bei den Umzügen unter die Jecken geworfen werden. Traditionell umfasste das Gebinde auch einen kleinen Mimosenzweig. Die leuchtend gelben Pomponblüten, die in verschwenderischer Fülle am Zweig sitzen, machten das Sträußchen besonders attraktiv und begehrenswert. Schaut man sich den Mimosenzweig allerdings mit dem nüchternen Blick des Botanikers an, dann stellt man fest, dass diese sogenannte Mimose, Acacia dealbata, eine Falsche ist.

Acacia dealbata

Die „echte“ Mimose, Mimosa pudica, ist eine tropische Pflanzenart in der Unterfamilie der Mimosengewächse (Mimosoideae) in der Familie der Hülsenfrüchtler (Fabaceae). Der krautige, ein- bis mehrjährige, bodennahe Halbstrauch, der bis zu einem Meter hoch wird, stammt ursprünglich aus Südamerika. Die Blütenstände sind rosa- bis lilafarben. Sie wird auch „Schamhafte Sinnpflanze “ genannt, da sich ihre Blätter bei Reizen zusammenklappen und sich dabei sogar der Stiel nach unten senkt. Sobald der Reiz nachgelassen hat, strecken sich die betroffenen Regionen wieder aus, ein faszinierendes Schauspiel! Der Beiname „Pudica“, die Schamhafte, weist auf diese Eigenart hin. Sie hat der Pflanze aber auch den Namen „Rühr-mich-nicht-an“ eingebracht und ein Mensch, der als Mimose bezeichnet wird, gilt als besonders empfindlich und übersensibel, was nicht unbedingt als Kompliment zu verstehen ist.
An der Entstehung der Mimose soll, so die Sage, Göttervater Zeus nicht unbeteiligt gewesen sein. Er näherte sich der liebreizenden Mimosa in unerbetener Absicht; Hera, die Gattin von Zeus, die stets mit der Untreue ihres Gatten rechnete, verhinderte Weiteres und verwandelte die Tugendhafte in ein Mimosenbäumchen, das bis heute bei Berührung schamhaft erzittert …

Mimosa pudica

Die „falsche“ Mimose, Acacia dealbata, ist nicht ganz so empfindlich. Ihre fein gefiederten Blätter ähneln im Aussehen und Verhalten ein wenig der „echten Mimose“, es handelt sich aber um die Silber-Akazie. Auch sie gehört zur Unterfamilie der Mimosengewächse und der Familie der Hülsenfrüchtler, allerdings in der Gattung Acacia und nicht wie Mimosa pudica zur Gattung Mimosa. Auch von der Herkunft her trennen sie wahre Welten. Ursprünglich stammt der immergrüne Strauch oder Baum, der bis zu 30 Meter hoch werden kann, aus Südostaustralien. Von dort brachten ihn Botaniker im 18. Jahrhundert in die Royal Botanic Gardens in Kew. Um 1860 wurde die Silber-Akazie in Südfrankreich eingeführt; heute findet man sie im gesamten Mittelmeerraum. Berühmt ist die 130 km lange „Route de Mimosa“, die in der Nähe von Aix-en-Provence beginnt und in Grasse endet. Von Februar bis März ist die ganze Landschaft von der flaumigen Blüte der Mimosen überzogen. In unseren Breiten kann die Silber-Akazie, die nicht winterhart ist, als Kübelpflanze im Sommer auf der Terrasse gehalten und im hellen Wintergarten überwintert werden.

Acacia dealbata

Attraktiv sind die Silber-Akazien schon wegen ihrer zarten, gefiederten, blaugrünen Blätter, die je nach Lichteinfall silbrig schimmern. Unübertroffen ist jedoch die Blüte. Tausende kleiner, rund einen Zentimeter große Blüten verzaubern das Auge. Aber die Blüten begeistern nicht nur durch ihre Farbenpracht und üppigen Blütenstände. Sie verströmen einen feinen süßlichen Duft und werden daher in der Parfümherstellung eingesetzt. Auch verblüht behalten sie einen herb-frischen Duft und werden als Trockenblumen geschätzt. Denn einen Wermutstropfen gibt es. Die geschnittenen Zweige machen sich zwar sehr dekorativ in Blumensträußen aus, die Blüten vertragen jedoch keine Wärme, so dass die Mimosen sehr schnell ihre frische Flauschigkeit verlieren.

Die Mimose, genauer gesagt, die Silber-Akazie, ist eine der am häufigsten verwendeten Blumen in der Blumensprache. Sie verkörpert die Sonne und das Gold, sie beschwört die geheime Liebe und ist das Bild des triumphierenden Lebens. Sie steht für Freundschaft, Stärke und Treue. Die Blume ist auch eines der Symbole des Internationalen Frauentages, der jährlich am 8. März begangen wird. In Italien bestimmt sie an diesem Tag mit ihrem Gelb und ihrem Duft das „Festa della Donna“. Millionenfach werden die Zweige den italienischen Frauen geschenkt. Wie gut, dass man in Italien nur die „falsche“ Mimose kennt und daher keine falschen Rückschlüsse aus dem Geschenk gezogen werden können, denn wer möchte schon durch die Blume als besonders empfindlich oder leicht eingeschnappt gescholten werden?

Francis Picabia, Femme aux mimosas


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