Klein,kleiner, am kleinsten

Nymphaea thermarum

Was für ein Superlativ! Nymphaea thermarum gilt als die kleinste Seerose der Welt und hat es mit ihren Blüten, die nicht größer als eine Ein-Cent-Münze werden, sogar in das Guinness Buch der Rekorde geschafft. Kein Wunder, dass Reviergärtner Lars Leonhard, der bekannt ist für seine Experimentierfreude – man denke nur an die Dschungelwand – begeistert war, als Vasu Manickam, ein bekannter Seerosenzüchter, dem Botanischen Garten dank der freundschaftlichen Verbindungen letztes Jahr ein Exemplar spendete. Und tatsächlich, nun blüht sie und kann – untergebracht in einem kleinen Wassertank – in den Kakteen-Schaufenstern bewundert werden. Aber es ist nicht nur die Blüte, die die in Ruanda endemische Pflanze so faszinierend macht, auch die Geschichte ihrer Entdeckung, ihres vermeintlichen Aussterbens und ihrer Wiederentdeckung ist ungewöhnlich spannend.

Eberhard Fischer, einer der bedeutendsten zeitgenössischen Taxonomen und Kenner der Flora und Vegetation des tropischen Afrikas, entdeckte im Rahmen einer floristischen Erkundung des Albertine-Grabens im Südwesten Ruandas 1987 eine ungewöhnliche Seerose. Sie war bemerkenswert klein, hatte cremeweiße Blütenblätter und einen seltsamen Wuchs. Fundort waren die Gewässer der heißen Quelle von Mashyuza mit ihren feuchten, matschigen Tümpeln, einem Gebiet nicht größer als ein Fußballfeld; weitere Vorkommen konnten nicht ausfindig gemacht werden. Die Pflanze galt daher seit ihrer Entdeckung als extrem gefährdet, da Landwirtschaft und Bergbau ihren Lebensraum immer mehr bedrängten. Einige Pflanzen wurden daher entnommen und in Botanischen Gärten untergebracht, um zu ihrer Arterhaltung beizutragen.

1988 wurde Nymphaea thermarum von Eberhard Fischer als neue Art wissenschaftlich beschrieben und benannt, wobei der Zusatz „thermarum“ auf ihre ungewöhnliche Habitat-Vorliebe hinweist. In den Botanischen Gärten der Universitäten Mainz und Bonn wurden die Pflanzen am Leben gehalten, konnten allerdings nicht zur Samenbildung angeregt werden. Damit war eine Vermehrung im großen Stil nicht möglich. Dieses Problem wurde umso dringlicher, als Forscherteams feststellen mussten, dass die ursprüngliche Population vor Ort bis 2009 verschwunden war. Wie befürchtet, hatten die intensivere Landwirtschaft und die Ausweitung des Bergbaugebietes in Verbindung mit der Unkenntnis über die Bedeutung der Seerosen die Pflanzen verdrängt. Nymphaea thermarum galt fortan in der Natur als ausgestorben.

Vor diesem Hintergrund wurde Samen an die Royal Botanical Gardens in Kew übergeben, um in Zusammenarbeit mit dem Rwanda Development Board ein Projekt zur Erhaltung und Wiederansiedlung der Art zu starten. „Pflanzen Messias“ Carlos Magdalena, Senior Gardener in Kew Gardens und Experte zur Rettung von gefährdeten Pflanzen, gelang es schließlich, die Pflanzen zum Keimen und Blühen zu bringen. Der Weg für ihre Wiederansiedlung in der Natur war damit geebnet.

Im Sommer 2023 reiste ein Forscher-Team vom Ruanda-Zentrum der Universität Koblenz und der Universität Roma in das Gebiet von Mashyuza, um die Möglichkeiten einer Wiederansiedlung auszuloten. Umso größer war ihre Überraschung und Freude, als sie ganz in der Nähe des ursprünglichen Standortes hunderte Exemplare in den Gräben und Tümpeln von Plantagen fanden. Laut den Forschern ist die Population gesund und umfasst sowohl fortpflanzungsfähige erwachsene Pflanzen als auch Sämlinge. Eine ähnliche Entdeckung vermeldete im Sommer 2023 auch die Universität Ruanda aus dem Gebiet. Nymphaea thermarum ist also mitnichten ausgestorben! Nun soll geklärt werden, wie es zu der Ansiedelung kam; weitere Forschungen sollen vor Ort durchgeführt werden.

Zum Schutz der Pflanzen schlägt die Forschergruppe vor, dass kurzfristig die Grundstücke, auf denen die ikonischen Seerosen wachsen, aufgekauft und als Naturschutzgebiet ausgewiesen werden. Ferner müsste sichergestellt werden, dass genügend Wasser in den Lebensraum von Nymphaea thermarum gelangt. Zusätzlich sollten mittelfristig die Gebiete, die durch Bergbautätigkeiten versehrt wurden, renaturiert werden, wobei ein massives Problem eine nahe gelegene Zementfabrik darstellt. Nach Angaben der Universität Koblenz wollen die Regierung und Behörden von Ruanda den Lebensraum der kleinsten Seerose der Welt als Schutzgebiet ausweisen.

Die Gattung Nympahea ist namensgebend für die Familie der Seerosengewächse (Nymphaeaceae). Nymphaea thermarum bildet Rosetten mit leuchtend grünen Blättern von einer Größe von zwei bis drei Zentimetern, die durch kurze Rhizome verankert sind. Die sehr kleinen Blüten sind weiß mit gelben Staubgefäßen, wobei die Blüten einige Zentimeter über der Pflanze stehen. Sie blühen morgens und schließen sich am frühen Nachmittag. Die Blüten können sich selber bestäuben. Nach der Blüte biegt sich der Blütenstiel, so dass die Früchte mit dem Schlamm in Verbindung kommen und wieder keimen können. Die Frucht enthält 300 bis 400 Samen.
Carlos Magdalena ist die Entdeckung zu verdanken, dass die Samen auf Lehm in sehr flachem Wasser bei 25° Lufttemperatur ausgesät werden müssen, damit die höheren Kohlendioxidkonzentrationen in der Luft erreicht werden und die Samen keimen können.

Alle obigen Fotos zeigen Nymphaea thermarum im Botanischen Garten der HHU.

Professor Thomas Abeli von der Universität Rom, der gemeinsam mit Marie Müller und Siegmar Seidel von der Universität Koblenz die Seerose in Ruanda wiederentdeckt hat, war so freundlich, das Foto vom Fundort zur Veröffentlichung freizugeben. Herzlichen Dank!

Beim Verfassen des Artikels waren insbesondere hilfreich:
www.cambridge.org: Rediscovering of the waterlily Nymphaea thermarum …
www.wikipedia.org: Nymphaea thermarum
Spektrum.de, 12.03.2024: Kleinste Seerose der Welt doch nicht ausgestorben
www.uni-koblenz.de: Forscher der Universität Koblenz …
Whitehead Institute: Unusual Landmates: The world’s smallest Water lily
IWGS International Waterlily Water Gardening Society, Stichwort Carlos Magdalena
www.kew.org: Stichwort Nymphaea thermarum

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