Unsere Winterzeit ist Sommerzeit im Südafrika-Haus! Die Lage Südafrikas auf der Südhalbkugel führt dazu, dass die Jahreszeiten denen auf der Nordhalbkugel entgegengesetzt sind. Davon lassen sich die Pflanzen im Südafrika-Haus allerdings nicht beeindrucken. Aufgrund ihrer genetischen Veranlagung folgen sie ihrem von der Natur vorgegebenen Jahresrythmus auch bei uns. Angesichts des grauen und nasskalten Niederrhein- Winterwetters in Düsseldorf freute ich mich daher ganz besonders, dass ich letzte Woche im angenehm temperierten Gewächshaus mit Tobias Rönsch, dem zuständigen Gärtner für das Südafrika-Haus, verabredet war.
Vielleicht erinnern Sie sich noch: In meinem Beitrag im Januar letzten Jahres „Winterschlaf? Von wegen!“ über das Team des Gartens hatte ich auch ein Foto von Tobias Rönsch veröffentlicht, der mit seinen damals 23 Jahren der jüngste Mitarbeiter war. Nach dem Abschluss seiner Ausbildung im Botanischen Garten wurde ihm als Arbeitsgebiet das Südafrika-Haus zugeteilt, da der bis dahin verantwortliche Gewächshausmeister kurz vorher in den Ruhestand getreten war. Eine wahre Herausforderung für den jungen Mann. Der gelernte Staudengärtner eignete sich mit Unterstützung seiner Kollegen das notwendige Fachwissen an, pflegte den Austausch mit anderen Botanischen Gärten, las und beobachtete viel. Und da die Pflanzen im Haus ihren Wert haben, ging er die Aufgabe bedacht und mit Respekt an. Eine gehörige Portion Enthusiasmus gehört natürlich auch dazu!
Anlass unseres Treffens war die Schaffung eines neuen Strelitzien-Beetes, aber ich blieb zunächst fasziniert bei einem prächtigen Brotpalmfarn (Encephalartos natalensis) stehen, der einen reizvollen Kontrast zu den weißen Blütenwolken des Heidekrautes (Ericaceae) bildet. Was für Zapfen! Noch ist die Erinnerung an unsere eher kleinen Tannenzapfen in der Weihnachtszeit frisch und so staunte ich über die wahrlich gigantischen Zapfen der weiblichen Pflanze, die bis zu 55 cm lang und 25 cm breit werden können. Aber auch die Zapfen der männlichen Pflanzen erreichen beachtliche Ausmaße. Der Brotpalmfarn kann bis zu 6 m hoch werden, er wächst jedoch nur langsam. Eine Rosette aus großen, immergrünen, gefiederten Blättern krönt den Stamm. Die Blattfiedern können bis zu drei Meter lang werden und weisen an den Kanten kleine Stacheln auf. Nicht umsonst sollen sie früher bei Züchtigungen eingesetzt worden sein. So weit muss es jedoch gar nicht kommen. Auch Tobias Rönsch hat schon unangenehme Erfahrungen mit den Stacheln gemacht. Wenn er dem Farn „zu Leibe rücken“ muss, zieht er inzwischen zusätzliche Schutzkleidung an.
Encephalartos natalensis ist in Südafrika endemisch. Das „lebende Fossil“ wird von der „International Union for Conservation of Nature“ als „gefährdet“ eingestuft. Nur noch circa 10.000 ausgewachsene Pflanzen soll es in ihrer natürlichen Umgebung geben. Zu den Bedrohungen gehört neben der Landschaftsumgestaltung und der Verwendung für gärtnerische Zwecke auch, dass das mehlige, stärkehaltige Innere des Stamms traditionell als Nahrung verwendet und dadurch der Bestand dezimiert wird. Auf den brotähnlichen Geschmack deutet auch der Name hin: Encephalartos bezieht sich auf den griechischen Begriff „Brot im Kopf“. Die Samen sind für den Menschen giftig, aber fruchtfressende Tiere, wie zum Beispiel Affen, fressen den äußeren Teil der Samen, der giftige, hartbeschichtete Kern wird verschmäht. Auch Dinosaurier könnten sich an den Pflanzen gütlich getan haben, wurden doch entsprechende Fossilien in Gesteinen gefunden, die auf die Trias-Ära zurückgehen. Ganz so alt ist das Exemplar im Südafrika-Haus nicht, aber ungefähr 50 Jahre werden es schon sein.
Nachtrag von Januar 2023: Die Zapfen sind geplatzt und der rote Samen ist ausgetreten.
Altersmäßig kann die Baum-Strelitzie (Strelitzia nicolai), die im November letzten Jahres im Südafrika-Haus in ein Beet umzog, da nicht mithalten. Dafür erreicht sie jedoch beachtliche Wuchshöhen. Sie kann bis zu zwölf Meter hoch werden. Das führt dazu, dass eine im Südafrika-Haus an anderer Stelle wachsende Strelitzie regelmäßig beschnitten werden muss, weil sie an die Lüftung und das Dach des Hauses stößt. Ganz so hoch ist die umgepflanzte Strelitzie noch nicht, aber auch so war es schon schwierig genug, sie umzusetzen. Anlass für den „Umzug“ war die Neugestaltung des bisherigen Proteen-Beetes. Proteen, die Wappenpflanzen Südafrikas, reagieren empfindlich auf kalkhaltigen Boden. Bei der Anlage der Beete im Südafrika-Haus konnte man noch auf viele helfende Hände zurückgreifen. So war es nicht weiter schlimm, dass das im Beet befindliche Substrat kalklastig war, was Proteen gar nicht mögen. Einmal im Jahr wurden die Proteen balliert und der Boden mit kalkarmen Substrat aufgefüllt. Dieser Arbeitsaufwand kann heute nicht mehr geleistet werden. Deshalb schlug Tobias Rönsch vor, die Proteen auszugraben und zunächst in Kübeln unterzubringen, bis sie an passenderer Stelle einen neuen Platz im Südafrika-Haus finden.
Als Frau Dr. Etges, die Kustodin des Gartens, mir vorschlug, über die Umpflanzung der Strelitzie zu berichten, war ich zunächst erstaunt. Ich hatte eine „Strelitzia reginae“ vor Augen, die man häufig als Fensterbankpflanze in Gärtnereien kaufen kann und konnte mir daher nicht vorstellen, was an der Aktion besonders sein sollte. Das hier war dann allerdings alleine schon wegen der Höhe der Pflanze – sicherlich gute vier Meter – doch ein anderes Kaliber als das Umpflanzen einer „gewöhnlichen“ Zimmerpflanze. Zunächst wurde in der neuen Strelitzien-Ecke das komplette Substrat – circa 18 m³ – ausgetauscht. Tobias Rönsch ist mit seinen fast 2 Metern nicht gerade klein. Aber wie man auf den Fotos sehen kann, ging es ganz schön in die Tiefe, bevor das neue Substrat eingebracht werden konnte. Dann wurde der Kübel zerschlagen, in dem die Pflanze bislang untergebracht war und es galt äußerst vorsichtig und behutsam zu sein. Strelitzien haben sehr empfindliche, fleischige Wurzeln. Mit Hilfe von Kollegen, die bei der Neugestaltung tatkräftig mitgeholfen haben, glitt die Strelitzie schließlich in ihr neues Zuhause. Geschafft! Doch damit nicht genug. Bei der Gelegenheit wurden direkt auch noch die Kantensteine neu befestigt und die gewichtigen Felssteine, die im Beet liegen, verschoben, so dass sie von Pflanzen umwachsen werden können. Neue Kap-Hyazinthen (Veltheimia capensis) sind bereits gepflanzt, weitere Unterpflanzungen sollen im Frühjahr folgen.
Die Pflanzengattung Strelitzia gehört zur Familie der Strelitziengewächse (Strelitziaceae). Sie wurde nach der britischen Königin Sophie Charlotte, einer geborenen Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz, 1773 von dem Leiter des Botanischen Gartens in London Strelitzia genannt. Es gibt fünf Arten, die im südlichen Afrika vorkommen. Ihren Zusatz „nicolai“ erhielt die Pflanze zu Ehren von Zar Nikolaus I. Ein Exemplar blühte 1858 in den kaiserlichen Gärten in Sankt Petersburg, wo man feststellte, dass es sich um eine neue Art handelt. Strelitzia nicolai erinnert wegen ihres baumartigen Wuchses und der zweizeilig am Stamm verteilten, eine Art Fächer bildenden Laubblätter, vegetativ an Bananenpflanzen. Alle Strelitzienarten bestechen durch ihre ungewöhnlich geformten Blüten. Wegen der Schnabelform und der Länge ihrer Blüten gehören sie zu den Pflanzen, deren Bestäubung durch blumenbesuchende Vogelfamilien erfolgt. Bei uns sind diese Vögel nicht heimisch. Da können auch die Spatzen, die das Südafrika-Haus besuchen, nicht helfen. Wenn sie wüssten, was ihnen für ein köstlicher, reichlich produzierter Nektar entgeht!
Das Südafrika-Haus kann, wie auch die übrigen Gewächshäuser im Botanischen Garten, covidbedingt zur Zeit nicht besucht werden. Aber schon ein Blick durch die Fenster lohnt allemal.