Warum machte sich Christoph Kolumbus bei der kastilischen Königin Isabella unbeliebt und warum hat er dennoch unsere Lebensbedingungen nachhaltig verändert? Sind Sie neugierig geworden? Dann gehen Sie mit mir, vier wissbegierigen Kindern und ihren Begleitern zu den Beeten im Nutzgartenbereich.
Am vergangenen Mittwoch habe ich an einer der Führungen für Kinder in den Herbst-Schulferien teilgenommen, die im Rahmen der „Kinder-Universität“ veranstaltet und vom Freundeskreis des Botanischen Gartens gefördert werden. Corana-bedingt war die Teilnehmerzahl stark eingeschränkt, sodass wir nahezu in den Genuss einer exklusiven Führung der Designerin und Pflanzen-Illustratorin Katrin Saran kamen, von der auch die Illustration auf dem Beitragsbild stammt. Mit viel Begeisterung und Wissen entführte sie uns in die Welt von Pflanzenjägern, Entdeckern und Abenteurern. Am Beispiel von Christoph Kolumbus erzähle ich, welchen Einfluss diese wagemutigen Menschen bis heute auf unsere Lebensweise haben.
Für uns ist es nicht mehr vorstellbar, mit welchen Gefahren die großen Schiffsexpeditionen verbunden waren, als es noch keine Satelliten gab, man sich auf die Gestirne verlassen musste, Kontinente entweder noch nicht entdeckt waren oder gar nicht vorhanden waren in den Weiten des Ozeans. Um sich diesen Strapazen auszusetzen, musste man ehrgeizig sein, von seiner Idee überzeugt sein und auf Reichtum und Berühmtheit hoffen. Viele Schiffe gingen verloren, ganze Schiffsmannschaften starben oder kamen krank zurück. Christoph Kolumbus verlor auf seinen Reisen neun Schiffe und musste sogar ein Schiff aufgeben, weil es durch den Schiffsbohrwurm zerstört wurde.
Christoph Kolumbus gehörte zu diesen Abenteurern, die die Welt verändert haben. Wie die meisten Gelehrten seiner Zeit glaubte er, dass die Erde keine Scheibe, sondern eine Kugel sei. Aufgrund dieser Erkenntnis war er fest davon überzeugt, dass man auf dem westlichen Seeweg nach Indien, wozu im damaligen Sprachgebrauch auch China zählte, gelangen könnte. Der Indienhandel war äußerst lukrativ, da Gewürze, Seide und Porzellan kostbar waren und guten Handel und reiche Profite versprachen. Bisher waren die fernöstlichen Länder durch das Islamische Weltreich abgeschnitten, was zu hohen Zöllen führte und die Waren enorm verteuerte. Es war also ein überaus lockendes, wenn auch gefährliches Unterfangen. Im Wettlauf mit Portugal, einen Seeweg nach Indien zu finden, beauftragte ihn schließlich das kastilische Königshaus und stattete eine kleine Flotte mit der Santa Maria an der Spitze aus.
Aber: Kolumbus irrte sich. Nach einer mühevollen Fahrt entdeckte er 1492 nicht – wie er glaubte – Inseln, die China vorgelagert waren, sondern landete auf einer Insel der Bahamas. Auch auf seinen drei weiteren Seefahrten und der Entdeckung neuer Inseln blieb er bei der Überzeugung, den Seeweg nach China/Indien gefunden zu haben, eine Auffassung, die er bis zu seinem Tod nicht aufgab. Und eine Entdeckung, die ihm letztlich kein Glück brachte. 1506 starb er verbittert, von seinem Auftraggeber, dem kastilischen Königshaus, verstoßen und von der Öffentlichkeit verachtet. Erst Amerigo Vespucci erkannte, dass Kolumbus mit seinen ehrgeizigen Versuchen einen völlig neuen Kontinent entdeckt hatte. Und so wurde Amerika nach ihm benannt. Der Seeweg nach Indien wurde schließlich 1498 von Vasco da Gama gefunden, der den südlichen Seeweg wählte und die Südspitze Afrikas umsegelte.
Auch wenn Kolumbus nicht den Seeweg nach Indien entdeckt hatte, verdanken wir ihm viel. Er brachte zwar nicht das erhoffte Gold und Gewürze von seinen Reisen mit. Für uns heute, die wir einen Überfluss an Gemüse und Obst für selbstverständlich halten, ist kaum vorstellbar, welch einen bis dahin ungeahnten Reichtum an Pflanzen er von seinen Entdeckungsfahrten zurückbrachte. Nahrungsmittel, die man vorher nicht kannte, wurden unverzichtbar für viele Völker, veränderten die Lebensbedingungen in Europa und verhinderten Hungersnöte. Mehr als 100 Obst- und Gemüsesorten sowie Tierarten wurden aus Amerika eingeführt. Er startete damit (unwissentlich) einen globalen Austausch an Pflanzen und Tieren zwischen den Kontinenten, den man wegen seiner enormen Auswirkungen auf die jeweiligen ökologischen Veränderungen auch den „Kolumbus-Effekt“ nennt.
In den Beeten des Nutzgartens wurden wir fündig. Kartoffeln, Tomaten, Kürbis, Bohnen, Mais und Tabak fanden wir, alles Pflanzen, die Kolumbus von seinen Reisen mitbrachte und die für uns alltäglich geworden sind. Einen Siegeszug trat die Kartoffel an, die in Spanien seit dem 16. Jahrhundert am Königshof verzehrt wurde. Die Blüten der Kartoffel wurden sogar mit Orchideen verglichen und die französische Königin Marie Antoinette trug Kartoffelblüten in ihren Perücken! Preußenkönig Friedrich der Große, der „Kartoffelkönig“, ordnete in seinem Reich den Anbau von Kartoffeln an, da sie geeignet waren, schlechte Getreideernten auszugleichen und damit Hungersnöte zu mildern.
Was würden wir ohne die Tomate machen, ohne Ketchup und Pizza? Kolumbus brachte von seiner zweiten Reise auch Tomatenpflanzen mit. Aufgrund des milden Klimas gediehen sie in Spanien, Portugal und Italien prächtig. Sie wurden jedoch zunächst nicht als Nahrungsmittel genutzt, da Pflanze und Blüte denen der Tollkirsche ähneln, deren Gift tödlich ist. Sie galt als schön, aber gefährlich. So wurde sie wegen ihrer schönen Farbe und prallen Form zunächst als Zierpflanze genutzt. Aber schon im 16. Jahrhundert wird die Tomate in italienischen Kochbüchern erwähnt und konkrete Zubereitungsarten beschrieben. Die Tomatensauce war auf dem Vormarsch!
Und so liegen in den Reisen des Christoph Kolumbus Fluch und Segen dicht beieinander. Er brachte Leid und Unglück über die Bewohner der entdeckten Inseln. Uns beschenkte er mit einer Fülle an Pflanzen, die unsere Lebensbedingungen nachhaltig verbesserten.
Danke, liebe Frau Saran, für diese unterhaltsame und zugleich belehrende Führung. Sie haben viele spannende Themen angesprochen, die ich hier nicht aufgreifen konnte. Aber nun muss ich mir keine Sorgen machen, mit welchen Beiträgen ich den Blog im Winter füllen werde!