Wie ich den Färberwaid kennenlernte

Seit zwei Wochen ist es wieder so weit. Der Freundeskreis des Botanischen Gartens kann die beliebten sonntäglichen Führungen, die Corona bedingt ruhen mussten, wieder anbieten. Ich habe die Gelegenheit genutzt und am letzten Sonntag an einer Führung mit dem Diplom-Biologen Dr. Joachim Busch teilgenommen.

Die Beschränkungen, die uns die Pandemie immer noch auferlegt, nimmt man bei diesem Anlass gerne hin. Eine schriftliche Anmeldung beim Freundeskreis ist erforderlich, die Teilnehmerzahl ist auf zehn Personen begrenzt und eine Mund-Nasen-Bedeckung ist erforderlich. Das Tragen der Maske stellt bei 30 Grad im Schatten eine Herausforderung dar, aber es hat sich gelohnt. Es ist einfach ein gutes Gefühl, im Kreis von Gleichgesinnten in einem schönen Umfeld Wissenswertes über den Garten und seine Pflanzen zu erfahren und den ein oder anderen Tipp zur Pflanzenpflege zu bekommen. Der gut anderthalbstündige Spaziergang begann an der Kuppel mit Erklärungen zu Sukkulenten, führte dann vorbei an den Araukarien und dem Bauerngarten bis hin zum Nutzpflanzenbereich, wobei ein Abstecher zu den Farn-Beeten nicht fehlen durfte.

Viel Neues habe ich kennengelernt, aber besonders angetan hatten es mir die Ausführungen zu einer eher unscheinbaren Pflanze im Nutzgarten: der Färberwaid (Isatis tinctoria), aus dem der blaue Farbstoff Indigo gewonnen werden kann. Ich fand die Erläuterungen so spannend, dass ich noch ein wenig weiter recherchiert habe. Beim Färberwaid handelt sich um eine alte Kulturpflanze, die jahrhundertelang die einzige Möglichkeit in Europa darstellte, Textilien blau einzufärben, bis ihre Bedeutung ab Anfang des 17. Jahrhunderts durch die Einführung des preiswerteren und ergiebigeren Naturindigos aus Asien sank. Auch der Dreißigjährige Krieg hatte verheerende Auswirkungen auf die Waidproduktion. Mit der Entwicklung der Indigosynthesen kam das Geschäft dann Ende des 19. Jahrhunderts vollständig zum Erliegen. Färberwaid wurde im großen Stil insbesondere im Thüringen angebaut und verhalf den sogenannten Waidstädten, hierzu zählte vor allem Erfurt, zu ihrem Wohlstand. Aber auch im Dreieck zwischen Köln, Aachen und Jülich entstanden Zentren intensiver Waidkultur. Heute wird der Färberwaid wegen seiner vielfältigen weiteren Nutzungsmöglichkeiten wiederentdeckt und nicht nur im restauratorischen Bereich eingesetzt. Auch zur Herstellung von biologisch abbaubaren Holzschutzmitteln wird Färberwaid genutzt.

Der Anbau und die Verarbeitung des Färberwaids waren ein mühsames, arbeitsteiliges Geschäft. Bauern ernteten den Waid, verarbeiteten ihn in Waidmühlen zu Mus und formten daraus kleine Bällchen, die auf Horden getrocknet wurden. In zum Handel mit dem Waid zugelassenen Städten brachten sie die Kugeln auf den Markt, wo sie von Waidhändlern aufgekauft wurden, die das Halbprodukt durch Waidknechte weiterverarbeiten ließen. Nach langwierigen Gärungsprozessen entstand schließlich eine Brühe (Küpe), die zum Färben verwendet werden konnte. Die armen Waidknechte! Die Verarbeitung des Färberwaids zu Indigo stank im wahrsten Sinne des Wortes gegen Himmel. Bei der Produktion wurde Urin eingesetzt, sodass die Gärungs- und Färbeprozesse einen bestialischen Gestank verursachten und die Abwasser stark belastet wurden. Aber auch hier gilt: Geld stinkt nicht. Der Handel war äußerst gewinnbringend und führte im 15. Jahrhundert sogar zur Gründung von Waidhandelsgesellschaften, um den Handel noch profitabler zu machen.

Erst nach dem Eintauchen des Stoffes in die Küpe, wo er zunächst eine gelbe Färbung annimmt, nimmt er durch Oxidation an der Luft blaue Farbtöne an, das sogenannte „blaue Wunder“. Auch wenn nicht gesichert ist, ob die Begriffe „Blauer Montag“, „Blaumachen“ oder „blau sein“ auf die Herstellung des Indigos zurückzuführen sind, schön anzuhören sind die Geschichten allemal. Wer sich für die Herkunft dieser Begriffe interessiert, beim Eingeben des Stichwortes „Blauer Montag“ wird man unter anderem bei Google fündig.

Angeboten und organisiert werden die Führungen vom Freundeskreis des Botanischen Gartens. Eine schriftliche Anmeldung ist erforderlich. Die Teilnahme an den Führungen ist kostenlos, auch Gäste sind herzlich willkommen. Man kann aber auch individuelle Führungen gegen eine moderate Gebühr buchen. Vielleicht suchen Sie noch ein originelles Geburtstagsgeschenk für einen an Pflanzen interessierten, lieben Menschen oder möchten sich mit Ihrer Familie eine exklusive Führung im Grünen gönnen? Dann sind Sie hier richtig!

Der Freundeskreis veranstaltet aber nicht nur Führungen, sondern entfaltet auch zahlreiche andere Aktivitäten. Schauen Sie einmal auf der Webseite des Freundeskreises vorbei, eine Mitgliedschaft lohnt sich.

https://www.botanischergarten.hhu.de/freundeskreis.html

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