Hier war wirklich Not am Mann oder besser gesagt Not am Kaktus! Wenn man heute die üppige Schönheit im Kakteen-Schaufenster des Botanischen Gartens bewundert, kann man sich kaum vorstellen, dass hier Erste Hilfe dringend erforderlich war. Vor über 50 Jahren hatte Eva Schmelzer ihren Kaktus, der im Laufe der Jahrzehnte fast zum Familienmitglied geworden war, geschenkt bekommen, ihn gehegt und gepflegt. Dafür bedankte er sich regelmäßig mit üppigen Blüten. Nun jedoch musste er dringend umgetopft werden. Nur wie? Der Kaktus hatte inzwischen einen Durchmesser von über 50 Zentimetern und war über den Rand des Gefäßes in die Tischplatte, auf der er stand, eingewachsen. Damit war er für die inzwischen 76-jährige Kakteenliebhaberin nicht mehr händelbar. In dieser Notlage wandte sie sich an den Botanischen Garten.
Üblicherweise nimmt der Botanische Garten keine Pflanzen aus privater Hand an. Bei diesem außergewöhnlichen Schmuckstück konnte man jedoch nicht widerstehen und machte eine Ausnahme. Der Kaktus wurde mitsamt dem Tisch vom Balkon, wo er bis zuletzt stand, aus der zweiten Etage abtransportiert und in den Botanischen Garten gebracht. Das Umtopfen gestaltete sich dann ein wenig “tricky”, um mit den Worten von Gartenmeister Andreas Fischbach zu sprechen. Der Kaktus wurde quasi in die Zange genommen. Geschützt mit dicken Arbeitshandschuhen wurde die Pflanze mit Eisenrohren als Ganzes gehalten, die Tischplatte nach unten abgeschlagen und danach im nächsten Arbeitsschritt in das Schaubeet eingesetzt.
Seit Ende Oktober kann man ihn nun im Schaufensterbeet mit den vielen Kakteen – über 80 verschiedene Kakteen sind hier aufgepflanzt – des Anzuchtgebäudes 29.14 bewundern. Dort wird er hoffentlich die nächsten 50 Jahre weiterwachsen, uns mit seinen Blüten erfreuen und uns ebenso wie seiner erleichterten Vorbesitzerin, die froh ist, dass ihr “Lebensgefährte” in guten Händen ist, ans Herz wachsen.
Dem aufmerksamen Leser wird aufgefallen sein, dass ich in dem Artikel nicht auf den wissenschaftlichen Namen des Kaktus hingewiesen habe. Frau Schmelzer hatte ihn als Echinopsis eyriesii geschenkt bekommen, heute wird er als Echinopsis oxygona geführt. Inzwischen sind jedoch Zweifel aufgetreten, ob es sich wirklich um eine Echinopsis oxygona handelt. Dies wird man erst feststellen können, wenn der Kaktus das erste Mal im Botanischen Garten geblüht hat. Bis dahin wird er in der Datei als “Schmelzer-Kaktus” geführt, was im Hinblick auf die Vorgeschichte des Kaktus auch viel persönlicher klingt!
Die Idee zu dem Beitrag, die Titelfindung, Informationen und Fotos aus dem Gewächshaus verdanke ich Andreas Fischbach, dem Gartenmeister für den Bereich “Forschung & Lehre, Gewächshäuser” im Botanischen Garten. Einen ganz besonders herzlichen Dank auch an Frau Schmelzer, deren Namen und Alter ich verraten durfte. Sie hat die wunderbaren Fotos des blühenden Kaktus beigesteuert.
Nachtrag vom 16. Juni 2023
Was für ein Happy End! Der Schmelzer-Kaktus hat im Kakteenbeet des Botanischen Gartens die ersten Blüten getrieben. Offensichtlich hat er den Umzug gut überstanden und fühlt sich in der neuen Umgebung wohl. Es gibt auch noch schöne Nachrichten!
2 Gedanken zu „Ein Kaktus in Not
Hier war dringend Erste Hilfe erforderlich
“Was für eine anrührende Geschichte um einen Kaktus, der dank des engagierten Teams des Botanischen Gartens, das die großen Mühen des “Umzugs” auf sich genommen hat, nun in einem wahren Kakteen-Paradies weiterleben kann.
Ganz herzlichen Dank an Angela Eckert-Schweizer für die liebevolle Schilderung dieser Story mit Happy End!
Liebe Frau Schmelzer,
es war mir eine große Freude, die Geschichte des Kaktus zu erzählen.