Nicht nur zur Weihnachtszeit

Ilex aquifolium, die Gewöhnliche Stechpalme ist Baum des Jahres 2021

Die satirische Erzählung von Heinrich Böll hatten die Mitglieder der „Baum des Jahres – Dr. Silvius Wodarz Stiftung“ wohl kaum im Sinn, als sie Ilex aquifolium, die Gewöhnliche Stechpalme, zum Baum des Jahres 2021 kürten, auch wenn ebenfalls „aus dem Ruder laufende“ Weihnachtsbräuche Anfang des letzten Jahrhunderts fatale Folgen für den Ilex hatten.

„Die Stechpalme ist ein Paradebeispiel für gelebten Artenschutz, dank dem sich die Bestände in den letzten hundert Jahren in Deutschland deutlich erholt haben“, so Stefan Meier, Präsident der Baum des Jahres Stiftung.*

Die dunkelgrünen, mit leuchtend roten Beeren besetzten Zweige sind schon seit vorchristlichen Zeiten beliebter Schutz und Schmuck. Da immergrünes Laub in Mitteleuropa kaum anzutreffen ist und die roten Beeren erst in den Wintermonaten erscheinen, wurde Ilex zum Symbol für Hoffnung und Liebe, Leben und Blut. Kelten und Germanen haben schon ihre Wohnstätten mit Ilex geschmückt, wahrscheinlich um böse Geister zu vertreiben. In der christlichen Tradition wurden in Mitteleuropa geweihte Stechpalmenzweige an Palmsonntag, dem Sonntag vor Ostern, als Ersatz für die Palmwedel, mit denen Jesus beim Einzug in Jerusalem begrüßt wurde, verwendet. Auf diesen Brauch ist auch die irreführende Bezeichnung „Stechpalme“ zurückzuführen, die heute eher rückläufig ist.

Die Verwendung von Ilex zu Weihnachten hat eine längere Tradition als der heute zum Weihnachtsfest gehörende Tannenbaum. Schon im Mittelalter schmückten die Menschen mit Ilexzweigen ihr Haus. Die Zweige mit ihrem immergrünen Laub und roten Beeren symbolisieren die christlichen Weihnachtsfarben rot und grün und stehen als Sinnbild für das ewige Leben. Aber auch zu den unterschiedlichsten Feiertagen von Allerseelen im November bis zum Palmsonntag Ende März/Anfang April kam Ilex zum Einsatz.

Aber wie so oft: Es wurde übertrieben. Im Laufe des 19. Jahrhunderts kam der Ilex so in Mode, dass es „eng“ für ihn wurde. Ein schwunghafter überregionaler Versand in Gegenden ohne Ilex-Vorkommen war so lohnend, dass die Bestände zunehmend gefährdet waren. Erste lokale Verbote in den 1920er Jahren führten schließlich 1935 dazu, dass wildwachsender Ilex deutschlandweit unter besonderen Schutz gestellt wurde. Wilder Ilex darf weder gepflückt, geschnitten oder ausgegraben werden und ist deshalb als Weihnachtsschmuck bei uns weitgehend in Vergessenheit geraten. In den angelsächsischen Ländern, insbesondere in den USA, ist diese Tradition weiter ungebrochen. Ein Weihnachten ohne „holly“ ist dort ebenso undenkbar wie ein Weihnachten ohne Tannenbaum bei uns. In den USA werden sie in sogenannten „holly-farms“ speziell für Weihnachten gezüchtet. Und es scheint, als würde die Tradition von dort aus langsam wieder zu uns zurückkommen, befördert von angelsächsischen Weihnachtsdekorationen, auf denen Ilexzweige abgebildet sind.

Der Naturschutz hat sich ausgezahlt, die Ilex-Bestände haben sich erholt und liefern einen wichtigen Beitrag zur biologischen Vielfalt. Im Botanischen Garten kann man mehrere Exemplare im Eichen- und Hainbuchen-Wald finden. Weltweit gibt es etwa 400 Arten, Ilex aquifolium ist die einzige in Mitteleuropa heimische Art der Gattung Aquifoliaceae (Stechpalmengewächse). In unseren Breiten ist er vor allem als Strauch in Laub- und Buchen-Tannenwäldern anzutreffen. Auf sehr lichten Standorten oder in Garten- und Parkanlagen kann er auch bei uns zu Bäumen heranwachsen. In England und Irland, begünstigt vom atlantischen Klima, kann er bis zu über 20 Meter und bis zu 500 Jahre alt werden.

Die wirtschaftliche Nutzung des Strauchs ist weitgehend unbedeutend. Umso mehr wird er als Brutplatz und als Nahrungsquelle von Vögeln, Bienen und Hummeln geschätzt. Die Pflanze ist zweihäusig. Die unangenehm spitzen Dornen, die den Ilex vor Wildverbiss im unteren Bereich schützen, verlieren sich, je höher die Pflanze wächst. Weibliche Pflanzen sind oft besonders dornig! Die roten Beeren und Blätter sind sehr giftig. Schon 20 bis 30 Beeren sind für einen Menschen tödlich, für Hunde sollen sie besonders giftig sein. Das harte Holz eignet sich gut für Intarsienarbeiten. Goethe soll mindestens einen Spazierstock aus Ilexholz besessen haben. Für die heutige Jugend dürfte allerdings wichtiger sein, dass auch der Zauberstab von Harry Potter aus Ilexholz angefertigt wurde.

Da Weihnachten vor der Tür steht, möchte ich mit einer Legende enden (Quelle FAZ vom 08.12.2013), die erklärt, warum die Stechpalmen im Winter leuchtend rote Beeren tragen:

„Als die Hirten sich auf den Weg zum Jesuskind machten, folgte ihnen ein kleines, schwaches und krankes Lämmchen. Es lief hinter dem Hirtenjungen her, der es gepflegt hatte. Das Lamm blökte zwar, aber so leise, dass niemand es hörte. Es stolperte immer wieder über die Steine, die auf dem Weg lagen, und die Stechpalmen zerkratzten es. Endlich erreichte es den Stall und drängte sich an den Hirtenjungen. Maria sah, dass der Junge das Lamm aufhob, es streichelte und an seiner Brust wärmte. „Auch mein Sohn wird später einmal gut zu hilflosen Geschöpfen sein“, sagte Maria zu dem Jungen. „Deshalb sollen die Menschen immer daran erinnert werden, dass du dem Lämmchen geholfen hast, als es in Not war.“ Seither trägt die Ilex im Winter leuchtend rote Beeren – damit man an das arme kleine Lämmchen und den guten Hirtenjungen denkt.“

Frohe Weihnachten Ihnen allen!

  • www.baum-des-jahres.de

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