Es ist immer wieder eine Freude, mit Reviergärtner Lars Leonhard durch sein Reich zu streifen. Bei meinem letzten Besuch haben wir uns auf die Reise nach Australien im Kuppelgewächshaus gemacht. Anfang 2020 war es ein kleines botanisches Wunder, als die dort wachsende Wollemie (Wollemia nobilis) weibliche Blüten angesetzt hatte. Nun haben sich die Bemühungen von Lars Leonhard um die geschlechtliche Nachzucht gelohnt. Der Nachwuchs ist da und wächst wohlbehütet in den Treibhäusern heran.
Wollemia nobilis gehört zu den botanischen Dinosauriern. Bis 1994 ging man davon aus, dass die Wollemie seit 50 Millionen Jahren ausgestorben war. Man kannte sie nur von fossilen Versteinerungen. So war es eine Sensation, als in einem unerforschten, abgelegenen Canyon des Wollemi-Parks, ca. 250 Kilometer westlich der australischen Stadt Sydney gelegen, der junge Forscher David Noble und Kollegen 23 Bäume und einige Jungpflanzen entdeckten. Nach aufwendigen Untersuchungen stand fest, dass es sich um die als ausgestorben geltende Wollemia handelte, die zu Ehren ihres Entdeckers den Namenszusatz “nobilis” erhielt. Um Pflanzenjäger und Touristen abzuhalten, wird der genaue Standort bis heute geheim gehalten.
2008 erhielt der Botanische Garten der HHU anläßlich der Eröffnung neuer Gewächshäuser zwei Wollemien geschenkt. Da man nicht wußte, wie sich die kostbaren Pflanzen in der neuen Umgebung entwickeln würden, wurde eine Pflanze in einen Kübel gesetzt und die zweite im Kuppelgewächshaus ausgepflanzt. Beide Pflanzen entwickelten sich gut und setzten nach einigen Jahren männliche Zapfen an. Heikel sind jedoch die weiblichen Blüten. In Deutschland ist es bislang nur wenige Male vorgekommen, dass sich an den einhäusigen Pflanzen auch weibliche Blüten gebildet haben. Umso größer war die Freude, als im Jahr 2020 weibliche Blüten an der Wollemie in der Kuppel heranwuchsen.
Nun war Lars Leonhard gefragt, der die Pflanzen geschlechtlich vermehren wollte. In der Natur werden Wollemien vom Wind bestäubt, im Kuppelgewächshaus ist es jedoch windstill . Die Arbeit des Windes übernahm er daher auf einer hohen Leiter stehend, wobei es überaus mühselig war, die filigranen, winzigen weiblichen Zapfen mit männlichen Pollen zu bestäuben. Pinsel und Pipette kamen mehrfach zum Einsatz und kleine Pollenwolken wurden über jeder Blüte ausgebracht. Dann hieß es fast zwei Jahre abwarten, ob sich die Mühe wirklich gelohnt hatte.
Mitte 2021 war es tatsächlich so weit, die Blüten waren verholzt und schuppenartiger Samen hatte sich gebildet. Aus der Fülle der Samen kann man jedoch leider nicht automatisch auf eine reiche Ernte schließen. Jeder Samen muss mühselig darauf abgetastet werden, ob sich im Inneren tatsächlich ein Keimling, als kleiner “Knubbel” erkennbar, befindet. Schließlich blieb eine Handvoll Keimlinge übrig. Sie wurden zunächst 20 Tage bei 5° Celsius stratifiziert (Für Laien wie mich: Stratifikation bedeutet Kältebehandlung von Samen), dann in einem Vermehrungssubstrat eingetopft und in einem kleinen Gewächshausschlauch mit erhöhter Wärme- und Feuchtigkeitszufuhr untergebracht. Und das Wunder geschah. Inzwischen wachsen 16 zarte Wollemien heran, zu Recht der ganze Stolz von Lars Leonhard. Und vielleicht wird irgendwann sein Traum wahr und er kann die Wollemien in ihrer natürlichen Umgebung besuchen, er hätte es sicherlich verdient.